: „Hier herrscht Gerichtsfriede“
Der Vorsitzende Richter Klaus Arend im Strobl-Prozeß: bullig, unbeherrscht, autoritär / Ein Richter ohne Fehl und Tadel / Düsseldorfer Spezialist in Sachen 129a ■ Aus Düsseldorf Walter Jacobs
Sie kämpft mit dem Florett. Ihr Gegner neigt zum Holzhammer. Je loser ihr Mundwerk, je bestechender ihre Argumentation, um so ungehobelter reagiert der Mann, der im Düsseldorfer Gerichtsbunker über allem thront: Klaus Arend, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht. Er kennt kein Pardon - ein übergewichtiger, bulliger Typ, der im Clinch mit der kleinen, zierlichen Rechtsanwältin Edith Lunnebach schon während der ersten zwei Verhandlungstage mehrfach aus der Fassung geriet. Edith Lunnebach verteidigt Ingrid Strobl, Klaus Arend den Staat. Seit Jahren urteilt er in 129a -Verfahren als Vorsitzender des 5.Strafsenates. Klaus Arend gibt vor, seinen Angeklagten „Gerechtigkeit widerfahren“ zu lassen. Wer ihn im Gerichtssaal erlebt, seine Verhandlungsführung beobachtet, glaubt nicht mehr an vorurteilsfreie Sachaufklärung.
Sicher, Klaus Arend hat auch schon freigesprochen. Im sogenannten „Antifa„-Prozeß gegen neun Personen aus Wuppertal, die wegen Bildung und Mitgliedschaft in „einer terroristischen Vereinigung“ angeklagt waren, erging Ende 1987 in allen neun Fällen ein Freispruch. Ein Prozeßausgang, der als Beleg für seine Unvoreingenommenheit nicht taugt, denn am Ende hatte selbst die Anklage für Freispruch plädiert. Für die zu Unrecht verfolgten Menschen lehnte Klaus Arend damals einen Entschädigungsanspruch mit der Begründung ab, bei den Angeklagten handele es sich zweifellos um „Aktivisten der Anarcho-Szene in Wuppertal“. Sie hätten sich durch ihr Verhalten die Anklage selbst zuzuschreiben. Mit fast gleichlautenden Worten verweigerte der Richter ein Jahr später den Entschädigungsanspruch für Ulla Penselin, die er nach acht Monaten U-Haft aus dem Knast entließ.
Wer Richter Arend während Verhandlungen beobachtet, entnimmt schon der Gestik, der Tonlage, dem Gesichtsausdruck dieses Mannes, wie sehr er die Angeklagten, deren FreundInnen und GenossInnen ablehnt. Die Verachtung ist geradezu körperlich spürbar. Sie geht selbst einigen im Saal anwesenden Polizisten zu weit, die er schon bei kleinsten Unmutsäußerungen des Publikums regelmäßig zur Räumung einsetzt. „Wenn wir uns so benähmen wie der da oben, hätten wir ständig Widerstand“, sagt ein Beamter zu einem Journalisten. Arend reagiere „wie ein HB-Männchen ohne jede Souveränität“.
Im Verfahren gegen vier Duisburger Angeklagte warnte Klaus Arend das Publikum vor Meinungsäußerungen mit den Worten: „Notfalls sitze ich hier bis Mitternacht und stecke sie alle einzeln in den Bau.“ Wenn er seine „sitzungspolizeilichen Maßnahmen“ in strengem Ton erläutert, dann prusten diejenigen, die ihn zum ersten Mal hören, geradezu zwangsläufig los. „Kindhaftes Verhalten“, nennt er das. Sein Gehabe - „hier herrscht Ruhe, hier herrscht Gerichtsfriede“
-reaktiviert Bilder von bitterbösen Comicfiguren. Einwände der Verteidigung, seine Belehrungen seien von Vorurteilen geprägt, und er fordere „Duckmäusertum im Gerichtssaal“, begegnet er so: „Es wird niemand geduckmäusert, ich warne nur davor, Krakeele hier im Saal zu machen.“
Dabei wird der Gerichtsfriede, den er beschwört und der Sinn macht, durch niemandes Verhalten mehr gestört, als durch sein Tun. Achtung aller Prozeßbeteiligten, Respekt gegenüber den ZuschauerInnen, seien sie noch so schrill gekleidet, und Behutsamkeit im Umgang miteinander sind nicht die Sache des Vorsitzenden Richters. Sein rüdes Verhalten läßt dem „Gerichtsfrieden“ keine Chance. Arend verlangt Unterwerfung, nicht nur im Gerichtssaal. Einem U-Häftling beschied er kürzlich: „Schließlich möchte ich zu Ihrem Schreibstil im Umgang mit dem Gericht bemerken: Sie können bei Gericht Anträge stellen und Bitten äußern. Zu fordern haben Sie gar nichts, ausgenommen Gerechtigkeit, und die wird Ihnen wie jedermann widerfahren.“
Den rechten Spaß kann Arend seinem Job aber nicht mehr abgewinnen. Er will weg von der Staatsschutzkammer. Das Strobl-Verfahren, so munkelt man in Justizkreisen, sei des Richters letzter 129a-Auftritt.
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