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Gegen die Angst

Salman Rushdies Buch muß veröffentlicht werden!  ■ K O M M E N T A R E

Bücher, die Geschichte machen - so etwas gibt es nicht oft, aber ein paar Beispiele hält die Geschichte bereit: Immer lag die Bedeutung in ihrem Inhalt, darin, daß sie Sprengstoff für die gesellschaftlichen Konventionen ihrer Zeit bedeuteten. Ist Salman Rushdies Buch aus diesem Stoff? Kaum jemand bei uns kann da Auskunft geben, denn nur wenige haben es bisher lesen können. Rushdies Buch macht Geschichte, weil - vielleicht auch solange - es nur wenige kennen. Der Schock entsteht daraus, daß Autor und Verbreiter mit dem Tod bedroht werden, und das nicht etwa von einem einzelnen, beleidigten oder Amok laufenden Menschen, sondern von einer mit fanatisch religiösen Grundsätzen agierenden Staatsmacht.

Niemand kann angesichts der politischen Justiz im Iran und des zu allen Zeiten vorhandenen Angebots an käuflichen Mördern diese Drohung leichtfertig abtun. Trotzdem haben wir Auszüge aus Rushdies Buch veröffentlicht, bewußt und abwägend. Zwei Grundsätze wogen schwerer als der Reflex zur Vermeidung von Gefahr: Welche Bedeutung Rushdies Text hat, welche Beleidigungen oder Wahrheiten in ihm enthalten sind, darüber sollen sich die Leser ihr eigenes Urteil bilden können, diese Entscheidung steht einer anderen, gar staatlichen Macht nicht zu.

Was unsere kleine Zeitung tun kann, um den Prozeß der Verbreitung zu fördern, wird sie weiter tun. Welche Beleidigungen und welche Wahrheiten Rushdies Text auch enthalten mag, nichts rechtfertigt die Morddrohung gegen ihn. Die Unversehrtheit von Leib und Leben gegenüber staatlicher Macht muß verteidigt, die Politik mit der Angst muß bekämpft werden. Hier geht es um den Kern unserer Haltung zu Macht und Menschenbild.

Georgia Tornow

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