: Ein kleines Pflänzlein in Bassum
■ „Die Quecke“ in Bassum: Alternative zum Bildungsbürgerprogramm
In Bassum reimt sich Kultur auf Kirche: Der ehrwürdige „Kulturkreis“ der Achttausend-Seelen-Stadt, 30 Kilometer südlich von Bremen, ist seit Menschengedenken weitgehend identisch mit dem Kirchenvorstand und derart dem Wahren, Schönen und Guten verpflichtet, daß das städtische Erbauungsprogramm weit über die Gemeindegrenzen hinaus den Ruf als das Antiquierteste und Langweiligste weit und breit besitzt.
Kammer- und Volksmusik sind die tragenden Säulen, eine Dixiegruppe oder ein Kabarett dann und wann sind das Extremste, was der Erziehungsauftrag erlaubt.
In diese Monokultur hinein wuchert nun seit dem vergangenen Sommer ein widerstandsfähiges Pflänzchen, das inzwischen im gesamten Landkreis Diepholz Beachtung findet: Die Quecke nennt sich ein Verein von derzeit sieben Bassumern, die sich vorgenommen haben, zum offiziellen Bildungsbürgerprogramm eine Alternative anzubieten. Ohne Kapital und finanzielle Absicherung sprangen ein paar arbeitslose LehrerInnen, ein Landwirt und ein Kunststudent ins kalte Wasser mit einem Domizil am Stadtrand, in „Bünte Nr. 8“ und der Zielsetzung, „Kultur“ im weitesten Sinne zu begreifen, vielseitig zu sein und trotzdem von den eigenen Vorlieben auszugehen.
Der Schriftsteller Osman Engin machte mit einer Lesung den Anfang, der kritische Heimatfilm Grün ist die Heide löste die erste Kontroversen aus, und mit zwei Konzerten des indischen Sitarspielers Skalil Shankar war „Die Quecke“ plötzlich in aller Munde. Auch die Erfahrung, daß auf dem platten Land kultureller Anspruch und Flop zwei Seiten einer Medaille sind, ließ nicht lange auf sich warten: Hier kam Solidarität von unerwarteter Seite: Beim Konzert von Can Tufan und Andreas Lieberg deckte der „Kulturkreis“ ein nicht unerhebliches Defizit. Doch in der Regel wird ein Kassenminus aus den eigenen Taschen beglichen: Zuschüsse gibt es noch nicht, ein entsprechender Antrag an den Stadtrat wurde bisher nicht behandelt, weil er angeblich nicht fristgerecht eingegangen war, obwohl er, wie ein Mitglied des Vereins erzählte, drei Wochen vorher dem Ausschuß zugeleitet worden war.
Das fehlende finanzielle Polster macht die Verpflichtung so mancher Wunschkandidaten noch unmöglich, zumal man nach Bünte nur Künstler holen möchte, die nicht im gleichen Zeitraum in der näheren Umgebung auftreten. Nur wenn es gelingen sollte, eine gewisse Exklusivität zu wahren, rechnet sich der Verein eine Überlebenschance aus.
Doch in Bassum wächst das Interesse, auch in etablierten Kreisen.
Das Theaterstück „Diese ganze lange Nacht“ über inhaftierte Frauen in Chile, konnte in der Halle eines ärztlichen Unternehmers aufgeführt werden und zukünftig steht auch das Rathaus zur Verfügung: Hier läuft am 14.3., 20 Uhr, der Film Der Bunker, ein Bremer Projekt, von Barbara Johr, Thomas und Hartmut Boder über den Bau des U-Scat-Bunkers in Farge.
Und bereits morgen stellen in „Bünte Nr. 8“ zwei Schauspielerinnen unter dem Titel Orient-Express Märchen mit Musik vor: „Über die Klugheit und Listigkeit der Frauen orientalische Märchen aus weiblicher Sicht“.
Die Quecke hat auch eine Telefonnummer: 04241/4495
H. Upmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen