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Elefantenhochzeit nach Tete-a-tete geplatzt

■ Nach „Vier-Augen-Gespräch“ zwischen Eberhard Diepgen und Walter Momper kündigten beide das Ende der Großen Koalition an / Jeder wirft dem anderen vor, niemals ernste Absichten gehabt zu haben / CDU stellte Ultimatum: Keine Parallelverhandlungen mit der AL

Nach einem einstündigen Tete-a-tete im Hotel mit dem symbolträchtigen Namen „Berlin“ hatten der scheidende und der zukünftige Regierende Bürgermeister der Etikette Genüge getan. Zur offensichtlich beiderseitigen Erleichterung konnten sie nacheinander vor die Presse treten und ihr zögerliches Techtelmechtel für beendet erklären. Damit begruben CDU und SPD gestern offiziell die Pläne für eine große Koalition. Sie warfen sich gegenseitig vor, den anderen zwecks Taktieren mißbraucht zu haben.

Die CDU habe ein „taktisches Spiel“ betrieben, meinte Momper, und wolle offenbar „zum Nulltarif an der Regierung bleiben und dafür die SPD benutzen. Die CDU sei es, die auf eine „rot-grüne Zusammenarbeit“ aus sei, weil sie damit rechne, auf diese Weise ihre Wahlchancen für die Bundestagswahl 1990 zu verbessern. Wahltaktischem Kalkül zuliebe habe man von CDU-Seite „die Verantwortung für die Stadt nicht wahrgenommen“.

Walter Momper nannte im einzelnen drei Gründe, warum ihm „wegen der Bewegungsunfähigkeit der CDU nur noch eine Option“ bliebe. Hauptgrund, sich aus der Affäre mit der CDU zurückzuziehen, war für den SPD-Chef die CDU-Forderung, die Verhandlungen mit der AL abzubrechen. Die CDU habe erst „Schaukelpolitik“ betrieben, indem sie die SPD einerseits diskreditiert habe und andererseits Gesprächsbereitschaft signalisiert habe. Verschaukeln lassen wollte sich die SPD auch deshalb nicht, weil die CDU offenbar weiterhin „nichts zu bieten“ habe, was auf eine neue, sozialere und liberale Politik hinausliefe. Er habe keinerlei Anzeichen dafür entdecken können, „daß die CDU umdenkt“.

Er werde nach dem Vier-Augen-Gespräch dem Landesvorstand seiner Partei, der gestern abend nach Redaktionschluß tagte, vorschlagen, den Weg mit der CDU „nicht weiter zu verfolgen“. Der Landesvorstand solle das beschließen, was der Geschäftsführende Landesvorstand der Partei bereits am Vormittag beschlossen hatte: Die Verhandlungen mit der AL sollten zügig wiederaufgenommen werden. SPD und AL werden sich voraussichtlich schon heute wieder an den Verhandlungstisch setzen. Die Gespräche sollten eindeutig mit dem Ziel der Koalition geführt werden.

Zu Fragen, wann denn nun mit dem Ende der Verhandlungen zu rechnen sei, wann über Ressortverteilung und Senatoren geredet wird, wollte sich der SPD-Landesvorsitzende nicht äußern. Wie seine christdemokratischen Vorgänger Richard von Weizsäcker und Eberhard Diepgen wartete er statt einer Antwort mit der Erkenntnis auf, daß „immer alles irgendwie miteinander verbunden sei“.

Als hätten sie sich abgesprochen, äußerte Eberhard Diepgen gestern Ähnliches wie sein Nachfolger. Er habe in dem Gespräch „keine Neuigkeiten erfahren“. Er habe den Eindruck gewonnen, das Gespräch habe mehr dazu dienen sollen, um in der SPD argumentieren zu können, daß der Weg zur Alternativen Liste der einzig gangbare für Momper sei. „Die politischen Weichenstellungen der SPD sind so weit verschoben, daß zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Zusammenarbeit von CDU und SPD schwer vorstellbar ist“, sagte Diepgen. Die SPD erwarte von seiner Partei, daß sie in Berlin sozialdemokratische Politik umsetze.

Gleichzeitig mit der CDU und der AL zu verhandeln, sei für seine Partei eine „Zumutung“. Herr Momper kann wiederkommen, „wenn er mit der AL Schluß gemacht“ hat. Im Beziehungsjargon bleibend, riet der Regierende der SPD zu einem „Selbstbesinnungsprozeß“. Aber da sei er „nicht optimistisch“.

An Rücktritt, so Diepgen, denke der derzeitige Senat erst dann, „wenn eine Mehrheit besteht, die zu einer neuen Senatsbildung führt“. Mit der gestrigen SPD-Entscheidung dürfte dieser Mehrheit inzwischen der Weg gebahnt worden sein.

RiHe

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