Satanische Verse

Von seiner Mutter Naima Najmuddin hatte er eine Vielzahl von Geschichten über den Propheten gehört, und wenn sich Ungenauigkeiten in ihre Version dieser Geschichten eingeschlichten hatten, dann kümmerte ihn das nicht im geringsten. „Was für ein Mann!“ dachte er. „Welcher Engel würde nicht zu ihm sprechen wollen?“ Manchmal jedoch ertappte er sich dabei, wie er begann, Dinge zu denken, die eindeutig eine Gotteslästerung darstellten, zum Beispiel wenn er beim Einschlafen in seinem Bett im Hause Mahtres so dalag und absichtslos in seiner schlaftrunkenen Vorstellung anfing, seine eigene Situation mit der des Propheten zu vergleichen, als dieser, verwaist und mittellos, so überaus erfolgreich als Geschäftsführer für die reiche Witwe Khadija gearbeitet und sie am Ende sogar geheiratet hatte. Während er langsam in den Schlaf sank, sah er sich auf einem mit Rosen bestreuten Podest sitzen und schüchtern lächeln unter dem Sari-Pallu, den er geziert über das Gesicht gezogen hatte, während sein neuer Ehemann, Babasaheb Mhatre, liebevoll die Arme nach ihm ausstreckte, um das Tuch aufzuheben, und wie er dabei sein Gesicht in dem Spiegel betrachtete, den er im Schoß liegen hatte. Diese Phantasievorstellung von seiner Eheschließung mit Babasaheb ließ ihn sofort wieder erwachen, errötend und erhitzt vor Scham, und er begann sogleich über die Unreinheit seines Charakters nachzudenken, daß er imstande war, solch schreckliche Visionen heraufzubeschwören.

Meistens jedoch hielt sich seine Religiösität eher in Grenzen, sie war nur ein Teil von ihm, der nicht mehr Aufmerksamkeit beanspruchte als andere auch. Als Babasaheb Mhatre ihn in seinem Hause aufgenommen hatte, war das für den jungen Mann wie eine Bestätigung gewesen, daß er nicht allein auf der Welt sei, daß da etwas war, das für ihn sorgte, und so war er auch nicht besonders überrascht, als der Babasaheb ihn am Morgen seines fünfundzwanzigsten Geburtstags in das blaue Büro kommen ließ und ihn rauswarf, ohne daß er auch nur bereit gewesen wäre, sich seine Einwände anzuhören.

Das Zitat aus Salaman Rushdies „Satanic Verses“ geht der in der taz vom 22.2. zitierten Passage voran.