: LUSTIG, LUSTIG, TRALALALALA
■ Der Hanns Eisler Chor mit der Revue „Feuer und Flamme für Berlin“
Was macht ein Chor, der keine Lust mehr hat, zu singen oder politische Gedichte vorzutragen? Er erarbeitet eine Revue, die auf nun nicht einmal mehr besonders aktuellen politischen Ereignissen basiert, schreibt von der nächsten Hauswand einen plakativen Titel ab: „Feuer und Flamme für Berlin“, und da man anders als die andern sein will, schreibt man Revue „Rewü“, getreu dem Vorschlägen der Rechtschreibung.
Damit alles nicht so trocken wirkt, denkt man sich ein paar lustige Szenen aus, denkt man. „Geschmierter Senat“ oder „geschmierte Wirtschaft“ oder „alles läuft wie geschmiert“, lustig was? Oder ein paar deftige Hamburger-Witze, eine Wurstbude wird auf die Bühne geschoben, mit Baliner Verkooferin drin, die zuerst „City-Burger“ dann „Präsi -Burger“ und, hätten Sie es gedacht, „Molly-Burger“ verhökert. Ganz schön kritisch und dabei doch so lustig. Kein Witz ist zu flach, um das sozialpädagogische Spießbürgertum nicht zu Beifallsstürmen hinzureißen. Was gibt es Schöneres, als sich seine eigene Meinung auf einer Bühne bestätigen zu lassen, dann muß sie ja wohl richtig sein. Schnell noch ein Transparent gesprüht mit einem rot und grün durchkreuzten REP, das macht sich gut als Bühnendekoration. Denn natürlich sind wir alle für Rot-Grün, damit es endlich einen alternativen Kultursenator gibt, der politische Rewün fördert. Und nichts anderes. Noch nie war grüne Anbiederung an eine Partei, die einem vor einigen Jahren noch den Schädel einschlagen ließ, so wertvoll wie heute.
Bei der Rewü fungieren die SängerInnen zumeist als schwarz gekleidete Staffage, sie stehen im Hintergrund und dürfen geduldig die Massen symbolisieren. Vorne agiert währenddessen der Bürgermeister (Burgermeister?), der mit seinem Team die Wahlwerbung entwirft, auch hier die Kalauer geklaut aus der Ramschabteilung des nächst besseren Kabaretts: „Ich bin der kleinste gemeine Nenner.“ Dieser klebrige Humor, der immer das richtige sagen will, sich aber nicht traut, wirklich ironisch oder zynisch loszuschlagen oder womöglich die eigene Klientel aufs Korn zu nehmen, macht einen fertig. Nach einer halben Stunde kann man über gar nichts mehr lachen, auch über den besten Sarkasmus nicht (der hier eh nicht vorkommt). Vielleicht sollten die Rewüschreiber sich einmal an einem Montag ins Quartier Latin zu den Drei Tornados begeben, oder am besten gleich bei ihnen in die Lehre gehen, um ihren Kopf wenigstens ein Stück weit aus der linken Büttenzone zu strecken.
Besonders peinlich wird die Pädagogenveranstaltung, als die sich auch noch an die „Autonomen Kreuzbergs“ wenden will. In deren Namen singen sie: „Wir wärn so gern frei unter vielen. Und wir wärn so gern in der Sonne im warmen Wind. Wärn so gern, aber keiner, der uns frei sein läßt.“ Solidarisch mit den Kämpfen auf der Straße, so wie die Autoren sie vom Schreibtisch aus beobachten, deklamieren sie: „Alles im Leben hat seinen Platz, jeder hat seinen Platz. Einmal im Leben hat jeder ne Chance. Und wenn Bolle brennt, hat das auch seinen Sinn.“ Ganz schön radikal, denkt der Lehrer im Parkett, das werden die doch nicht so stehen lassen. Werden sie nicht: „Feuer und Flamme haben, kann sehr nützlich sein. Aber solang du nicht selbst die Flamme bist, wird dein Feuer nix bringen als beißenden Rauch und stinkende Asche, beißenden Rauch und stinkende Asche.“ Alles klar, such die Flamme in dir selbst und nicht im nächsten Supermarkt, wenn du sie nicht findest, gehe in eine Selbsterfahrungsgruppe oder schreibe eine Rewü. Ich habe sie zum Glück im Supermarkt gefunden, auf einem knallgrünen Feuerzeug mit der verführerischen Aufschrift: „Feuer und Flamme für Green Power.“
Andreas Becker
Weitere Aufführungen heute und morgen um 20 Uhr im Hebbel Theater.
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