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LOCKRUF DER SÜDSEE

■ Ein König, der den Mund zu voll nahm, und das verlorene Paradies einiger Westberliner

Wir wollten uns selbstverwirklichen und sind im Luxushotel jelandet“, so das Resümee Reinhard Pompluns beim Gespräch über die verflossenen Träume von der Südsee. Der ambulante Florist und Mitinitiator einer Auswanderergruppe Anfang der achtziger Jahre zeigt seine dickgefüllte, unübersichtliche Erinnerungsmappe, die das öffentliche Interesse an der Idee dokumentiert. Die Aussteiger kamen zwar nie an ihr Ziel, doch in die Medien.

Tonga hieß das Ziel. Der drei Zentner schwere König Taufa'ahau TupouIV. selbst hatte es bei seinem damaligen Besuch in der Bundesrepublik angepriesen. Seine Begeisterung für alles Deutsche war groß, und so hieß er die fleißigen Angehörigen dieses verehrten Volkes in seinem in viele Inseln zersplitterten Reich willkommen.

Man nahm ihn - ganz deutsch - beim Wort. Eine Kerngruppe von zehn Leuten (sechs Erwachsene und vier Kinder), die sich schließlich aus der Masse von Interessenten nach einer Tonga -Auswanderer-Anzeige zusammenfand, wälzte Atlanten, um erst „mal zu sehen, wo det überhaupt liegt“. Risiken und Chancen wurden abgewägt. Man war bereit zum Handeln. Florist, Fleischer, Koch, Maurer und eine Krankenschwester - die Selbstversorgung schien gesichert. Zusammen mit den Einheimischen wollten sie sich was aufbauen. Für soviel Unternehmenslust schien Tonga ideal: „Man steckt was in die Erde rin, kommt en Baum raus. Ick wollte Blumen machen, en andrer in Gastronomie und wieder en andrer in Bootsverleih“, erzählt rückblickend Pomplun. Der Tourismus schien im Südseeparadies Tonga noch ausbaufähig. Ein Vortrupp sah sich die Insel an und war etwas ernüchterter. Doch als sich dann auch noch die britische Botschaft gegen die Auswanderer stellte und der König von Tonga das Grundkapital der Gruppe auf zehn Jahre festlegen wollte, da war Tonga gestorben. Aber nicht der Traum vom Auswandern, vom alternativen Leben. Auf den Seychellen und sonstwo in Afrika suchten sie hartnäckig weiter. Bislang ohne Erfolg.

Immer wieder präsentiert Pomplun vergilbte Zeitungsauschnitte, Postkartenansichten von Tonga oder Erinnerungsbilder aus seiner Mappe. 'Bild‘, 'Morgenpost‘, 'BZ‘, aber auch der SFB und der WDR sind dabei; und dann der krönende Auftritt bei der Talkshow 3 nach neun mit Marianne Koch. Der Aufenthalt im Plaza Hotel anläßlich der Teilnahme an der Talkshow ist ihm damals allerdings nicht besonders gut bekommen. Die spendable Aufmerksamkeit die ihm Radio Bremen entgegenbrachte empfand er als geradezu unheimlich: „Ick fühlte mich, als ob ich Schule jeschwänzt hätte.“ Der Medienrummel scheint für Pomplun das nachhaltigste Erlebnis aus dieser Zeit zu sein. Zur Selbstverwirklichung trug er natürlich wenig bei. Doch daß gestandene Kleinbürger die Lockrufe des Südsee-Königs erhörten und sich auf den Selbstverwirklichungstrip begaben

-bis dato eine Domäne Langhaariger und Latzhosiger -, war sensationell oder wurde zumindest dazu gemacht.

Die Frage, ob er sich nun mit der „engen“ Realität in Berlin , die sich seiner Ansicht nach in Verboten, Betonburgen, sozialen und beruflichen Einbahnstraßen niederschlägt, abgefunden habe, verneint Pomplun. Er und seine immer noch treu zusammenhaltende Truppe von damals wollen weitermachen, weitersuchen: „Sollen die Neger doch zusehen, wie sie klar kommen, jetzt machen wir was in Deutschland.“

ed/gü

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