: Italiens Kommunisten sind wieder da
Mit erstaunlich erfolgreichen Initiativen hat sich die KPI in der politischen Öffentlichkeit zurückgemeldet und gewinnt Zulauf aus verschiedenen Schichten / 'L'Unita‘ sorgt für frischen Wind in der italienischen Parteienlandschaft / Craxis Sozialisten in Bedrängnis ■ Aus Rom Werner Raith
„Die Zeit der Agonie“, freut sich Pietro Ingrao, Alt-Linker und in der Kommunistischen Partei Italiens (PCI) lange Zeit kaltgestellt, „ist offenbar vorbei: Wir haben wieder die Fähigkeit, Themen zu besetzen und eine soziale wie kulturelle Führung aufzunehmen.“ Eine Wende, die beim Amtsantritt des ewigen Zauderers Achille Occhetto (53) voriges Jahr noch niemand für möglich gehalten hat - und die auch weniger auf sein Konto geht als auf das des neuen Chefs der Parteizeitung 'L'Unita‘, Massimo D'Alema (39).
Der nämlich hat in geradezu atemberaubendem Tempo begonnen, frech und respektlos den etablierten Polit-Verwaltern ihre Themen teils zu klauen, teils neue mit reißerischem Aufmacher hochzuspielen - oder gar welche zu erfinden.
Es begann Ende 1988. Die christdemokratischen Parteifürsten und Sozialistenchef Craxi waren noch dabei, hinter den Kulissen diskret die Fäden für einen möglichst tiefen, aber gleichzeitig eleganten Sturz des von ihnen ungeliebten DC -Chefs Ciriaco De Mita zu ziehen, da platzte 'L'Unita‘ mit der Schlagzeile heraus: „Hat sich De Mita an den Geldern für Erdbebenopfer bereichert?“ Zwar stellte sich heraus, daß die „Bereicherung“ - verglichen mit den sonst alltäglichen Millionen-Schmierereien - eher bescheiden war, umgerechnet allenfalls ein paar zehntausend DM. Dennoch: die Nation erfuhr bei dieser Gelegenheit, daß neben dem bisher als DC -Saubermann aufgetretenen De Mita auch seine Familie, seine Verwandten und seine Freunde zielsicher in jene Banken investiert hatten, die die meisten Hilfsgelder (insgesamt mehrere Milliarden DM) für die Opfer der Katastrophen von 1980 und 1983 an sich zogen und erst später auszahlten. Der PCI gewann Freunde unter den zunehmend nach Moral rufenden praktizierenden Katholiken zurück.
Dann eröffnete 'L'Unita‘ eine weitere Front. Sie legte sich mit Italiens ungekröntem Herrscher Fiat-Agnelli an: Er lasse in seinen Fabriken Gewerkschafter unter Druck zum Austritt aus der Gewerkschaft auffordern und verhalte sich damit regelrecht verfassungsfeindlich. Zehn Jahre lang hatte sich niemand mehr mit den Turiner Magnaten angelegt, seit diese einen Generalstreik durch eine von ihnen organisierte Gegendemonstration von 40.000 Arbeitern zum Zusammenbruch gebracht hatten. Daß die Fälle von Fiat-Pressionen teilweise Jahre zurücklagen und meist schon längst bekannt waren, störte nicht - plötzlich registrierte die PCI-Gewerkschaft CGIL nach Jahren der Dürre wieder mächtigen Zulauf.
Neuester Coup: 'L'Unita‘ und, diesmal in perfekter zeitlicher Abstimmung auch die PCI-Führung, greifen sich den Medien-Zaren Silvio Berlusconi an einer besonders empfindlichen Stelle - den Werbeeinschaltungen. Die alle zehn, fünfzehn Minuten in die Filme und Sendungen seiner drei landesweiten Kanäle „Italie 1“, „Retequattro“ und „Canale 5“ eingestreuten Werbespots, so 'L'Unita‘, zerstörten den „Gesamteindruck des Kunstwerks Film“ und verstießen gegen Artikel 21 der Verfassung über die Freiheit von Kunst und Wissenschaft. Eine Kampagne, die den Kommunisten mit einem Mal die seit Jahren abgewanderten Intellektuellen wieder zutreibt.
Tatsächlich laufen die großen Regisseure und sogar Entertainer wie Adriano Celentano seit Jahren Sturm gegen die Zerstückelung ihrer Werke. Ein vom PCI bereits eingebrachter Gesetzesentwurf („Für Berlusconi tödlich“, wie das Magazin 'Panorama‘ befindet) hat inzwischen auch noch die Zustimmung des links-christdemokratischen Fraktionsvorsitzenden Martinazzoli gefunden.
Die anderen Parteien sehen dem PCI-Feuerwerk konsterniert zu - und lassen sich selbst bei von ihnen eingefädelten Kampagnen die Wurst vom Brot nehmen. Als PSI-Chef Craxi im November vorigen Jahres das Thema Drogen entdeckte und ganz auf der Saubermann-Linie die Kriminalisierung auch der Rauschgiftsüchtigen forderte, hielten die Kommunisten sofort scharf dagegen. Craxi fiel aus allen Wolken, daß die bisher seinen Initiativen immer hinterhertappenden Kommunisten plötzlich hartkantig seine Pläne als „dümmlich“, „undurchführbar“ und „inhuman“ abkanzelten - und daß die anfangs Craxi zugeneigte Öffentlichkeit sich nunmehr der moderaten PCI-Position zuwendet.
Da brachte Craxi (fast schon verzweifelt, da er derzeit mangels Amt von der Vergabe lukrativer Pfründen abgeschnitten ist) ein vermeintliches Superthema ins Spiel: die „Wiedervereinigung der seit 70 Jahren gespaltenen Sozialisten und Kommunisten“. Occhetto und D'Alema nahmen das Thema zwar auf - aber mit solch deutlicher Langeweile, daß Craxi glaubte, sie hätten nicht recht verstanden, und seinen Vorschlag präzisierte: 1992, ließ er durch seinen Vize Claudio Martelli wissen, sollte man die Vereinigung feierlich vollziehen. Jaja, gähnten da die mittlerweile durch Tausende von Parteieintritten gestärkten PCI-Führer, 1992. Warum nicht schon früher oder sofort? Allerdings, setzten sie hinzu, unter unserer Führung, und nicht unter der des präpotenten Craxi. Der hat ob solcher Frechheit bis heute seine Sprache nicht wiedergefunden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen