: Bahr verlangt harte Haltung von Bonn
■ Ende Mai wird die Bundesregierung auf dem Nato-Gipfel in Brüssel Farbe bekennen müssen
Washington (dpa/taz) - Mit einer harten Haltung könne Bonn nach Meinung des SPD-Abrüstungsexperten Egon Bahr die Amerikaner davon abbringen, in diesem oder im kommenden Jahr auf eine bindende Entscheidung der Allianz in der Frage der Modernisierung der atomaren Kurzstreckenraketen zu drängen. Er habe bei seinen Gesprächen in Washington eine „interessante, wirkliche Flexibilität mit gewissen Unterschieden im nationalen Sicherheitsrat, im Pentagon und im State Department“ festgestellt. Auf die Frage, ob eine harte Haltung Bonns Washington zu einem Aufschub der Entscheidung über Kurzstreckensysteme bringen könnte, antwortete Bahr zustimmend.
Der Nato-Gipfel, auf dem vor allem nach Vorstellungen Washingtons und Londons weitere Beschlüsse über die „Modernisierung“ gefaßt werden sollen, ist nach Informationen der taz jetzt für den 29./30.Mai im Nato -Hauptquartier in Brüssel geplant. Zwölf Tage später kommt Gorbatschow nach Bonn. In Washington wird derzeit zwischen Administration und Kongreßführern ausgelotet, wie deutlich das „Signal“ der Nato in diesem Jahr sein muß, damit das US -Parlament die Gelder für die weitere Entwicklung der Lance -Nachfolgeraketen bewilligt.
Auf dem Tisch liegt außerdem ein Vermittlungsvorschlag, den der niederländische Außenminister van den Broeck seinem US -Amtskollegen Baker mitgegeben hatte. Er sieht einen weitgehenden bis vollständigen Verzicht auf die atomare Artillerie sowie die grundsätzliche Bereitschaftserklärung der Nato zu Verhandlungen mit den Warschauer Vertragsstaaten über atomare Kurzstreckenraketen vor. Im Gegenzug soll Bonn der „Modernisierung“ der Lance-Raketen zustimmen. Im Bonner Außenministerium wird hingegen derzeit die Einschätzung verbreitet, die Bundesregierung käme um eine solche Festlegung bis zu den Bundestagswahlen im November 1990 herum. Nicht nur „Art und Umfang“, sondern auch das „Ob“ einer „Modernisierung“ seien nach wie vor offen.
Andreas Zumach
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen