piwik no script img

Standbild: O - Heimat: W - Oweh

■ "Freitagnacht", Talkshow mit Lea Rosh

(„Freitagnacht“. Berliner Talkshow mit Lea Rosh, N3, Freitag um 22 Uhr) Mehr, mehr, mehr von solchen Talkshows wie denen, die Lea Rosh zustandebringt. Wo sonst gibt es solche Themen („Heimat: O - Heimat: W - Oweh, Heimat“, von Heiner Müller formuliert), wo solche Gäste? Wo gibt es diese Souveränität in der Gesprächsleitung? So aufregend, so konzentriert und unterhaltsam war lange keine Talkshow mehr, obwohl mir anfangs nichts Gutes schwante - ging es doch darum, „den Dialog zu probieren“ zwischen Gästen aus der DDR und Gästen aus der BRD, und diesem Begriff - „Dialog“ - haftet etwas modisch Neutrales, Inhaltsleeres an. Doch wie man sehen konnte: Hinter so manchem „Dialog“ tauchen kluge Köpfe auf: Irene Runge, Ruth Berghaus, Heiner Müller, Wolfgang Kohlhaase/Frank Beyer („Der Bruch“) aus der DDR; Rolf Liebermann (Schweiz), Günter Gaus, Otto Sander, Klaus Wagenbach (BRD) - und, etwas außer der intellektuellen Reihe, Martin Walser, dem neuerdings „mein simples Gefühl sagt“, die deutsche Teilung müsse überwunden werden, der „Strafe“ sei es nun genug.

Walser als einziger machte eine erschreckende Schwadroneursfigur - „Stammtisch“, entschied Irene Runge nebenbei. Und wie ein deutscher Stammtischredner provoziert er die Auseinandersetzung auf der Ebene des Gefühls, nimmt aber intellektuell Reißaus, spielt mopsbeleidigt gekränkte Leberwurst, wenn er sich „falsch zitiert“ fühlt, etwa von Günter Gaus, dessen politischem Verstand er einfach nicht gewachsen ist. Entsprechend stumm wird er im Lauf des Abends, umringt von Leuten, die historisch, politisch - und auch emotional - zu begreifen versuchen, was Walsers dumpfes Gefühl verkleistern will: daß nun mal zwei deutsche Staaten existieren.

Aber es sollte ja auch gar nicht um Walsers rückwärtsgewandtes „Heimweh“ alleine gehen, sondern darum wie Lea Rosh immer gerne wissen will -: „Was können wir voneinander lernen?“ Und siehe: In dieser Talkshow war's eine segensreiche Frage, denn es zeigte sich, daß nur den Gästen aus der DDR einfiel, was sie womöglich „lernen“ könnten. Von „uns“ kam nichts, gar nichts. Bloß aus dem Publikum hagelte es Gehässigkeiten („privilegierte Leute, nicht repräsentativ für die DDR“, „Heimatvertriebene sollten in der Talkshow sein“), die sich Günter Gaus erbost verbat. „Was wissen diese Zwischenrufer über die DDR?“, fragte Irene Runge. „Man müßte uns auch mal akzeptieren, uns fragen, wie wir leben, was wir wollen.“ Und Kohlhaase: „Als DDR-Bürger kommt man sich hier immer so vor, als hätte man seine Schulaufgaben nicht gemacht.“ Treffender kann man die Infantilität des Nicht- und zugleich Besserwissenwollens kaum karikieren.

Sybille Simon-Zülch

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen