: Doppelte Verantwortung
■ Deutsche Geschichte - Visumzwang für Jugoslawen
Zum zweiten Mal in der nunmehr 40jährigen Geschichte ihres Grundgesetzes spannt die Bundesrepublik ein anderes Land als Komplizen ein, um ihr Asylrecht faktisch außer Kraft zu setzen. 1986 machte die DDR unter dem Druck von Bonn und DM das „Schlupfloch“ Berlin für Asylsuchende zu. Nun soll Nachbar Österreich als Hilfssheriff dafür sorgen, daß die Bundesrepublik von Flüchtlingen aus Jugoslawien verschont bleibt. Eine „großdeutsche“ Asylmauer - ob so die Lehren aus der Geschichte aussehen, die Politiker gern im Munde führen?
Noch auf eine andere Weise dokumentiert der Visumzwang für Jugoslawien bundesdeutsche Geschichtsblindheit: Mehr als die Hälfte der flüchtenden Jugoslawen sind Roma-Familien. Wenige Tage nachdem Innenminister Zimmermann seine Visumspläne bekanntgegeben hatte, konnte man im Bundestag große Worte über die deutsche Verantwortung gegenüber den Roma und Sinti hören. Einmütig verabschiedeten die ParlamentarierInnen eine Entschließung, in der die Kommunen aufgefordert wurden, die Lage der Sinti und Roma zu verbessern und ihr kulturelles Erbe zu erhalten. Entschädigung für Unrecht und Völkermord durch die Nazis versprachen die Politiker den Roma und Sinti, eine Ehrenbürgerschaft forderten gar die Grünen für sie. Nur: Wenn der Visumszwang Praxis wird, werden zumindest die Ehrenbürger mit jugoslawischem Paß die Bundesrepublik gar nicht mehr erreichen.
Das Grundrecht auf Asyl und die Lage der Sinti und Roma sie beide haben mit deutscher Geschichte zu tun. Hier eine Verbindungslinie zu ziehen hieße einen Teil der Verantwortung zu übernehmen - und das heißt, daß die Bundesrepublik gerade für Roma offen zu sein hat.
Vera Gaserow
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