Unrühmliches Ende

Coop - ein „Fall“ und ein Skandal  ■ K O M M E N T A R E

Es gibt eine merkwürdige Unsicherheit in den Medien darüber, ob es sich bei der Coop um einen „Fall“ oder um einen „Skandal“ handelt, ob der Vergleich mit der AEG oder der mit der Neuen Heimat angemessener ist. Tatsächlich hat es von beidem etwas: Ein überschuldeter Großkonzern wird mittels einer Rettungsaktion der Banken durch die Krise geschleust, weil sein Konkurs die Gläubiger teurer käme. Und am Anfang dessen die typischen Skandalsymptome der gewerkschaftlichen Gemeinwirtschaft: heruntergewirtschaftete Ideale aus der alten Arbeiterbewegung, gewerkschaftliche Kumpanei und Vetternwirtschaft.

Daß ein ehemaliger Sekretär der Abteilung Mitbestimmung beim DGB-Bundesvorstand, der gefeuerte Coop-Chef Bernd Otto, jetzt von Südafrika aus seine Unschuld beteuert, sagt mehr über die moralischen Standards der gewerkschaftlichen Gemeinwirtschaft als alle Fälle von Korruption und Bereicherung, die die Frankfurter Staatsanwaltschaft möglicherweise noch aufdecken wird. Da paßt der Verdacht nur allzu gut ins Bild, die Gewerkschaftsmanager der Coop hätten 1985 die Bilanz gefälscht, die horrende Verschuldung ihres Konzerns im Bilanzgestrüpp ihres unübersichtlichen Konzerns bewußt versteckt, um den Verkauf überhaupt zu ermöglichen.

Daß jetzt die Banken ausbaden müssen, was die gemeinen Wirtschaftsmanager eingebrockt haben, mag einer höheren Gerechtigkeit folgen, wie sie zwischen konkurrierenden Mafia -Clans herrscht. Aber die eigentlich Leidtragenden sind die von Entlassung und Lohndrückerei bedrohten Beschäftigten und die Kunden, die nun möglicherweise längere Wege bis zur nächsten Supermarktfiliale zu bewältigen haben: das unrühmliche Ende einer Selbsthilfeorganisation der traditionellen Arbeiterbewegung, deren moralische und ökonomische Substanz schon in den sechziger Jahren verschleudert war und nicht einmal dazu reichte, ein seriöser kapitalistischer Konzern zu werden.

Martin Kempe