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50 BremerInnen hausdurchsucht

■ Celler Staatsanwaltschaft ging in acht Bremer Wohnungen auf „Terroristensuche“ / Hausdurchsuchungen wg. Paragraph 129 auch im Bremer Umland / Ermittler wollen mit Gewalt Bombenzug-Blockadeure finden

Bremen ist nach Auffassung des Bundeskriminalamtes und der Staatsanwaltschaft Celle anscheinend das Zentrum einer terroristischen Vereinigung. Aufgrund eines richterlichen Durchsuchungsbefehls des Oberlandesgerichts Celle durchsuchten gestern morgen Bremer Polizeibeamte im

Rahmen einer generalstabsmä ßigen Aktion gleichzeitig acht Wohnungen. Die identische Begründung bei allen Durchsuchungsaktionen lautete: Verdacht auf Bildung einer terroristischen Vereinigung nach Paragraph 129a. Auch im niedersächsischen Umland Bremens wurde gestern

in mehreren Wohnungen nach Indizien auf die „terroristische“ Gesinnung ihrer BewohnerInnen gefahndet.

Nach Auskunft des für die Ermittlungen zuständigen Celler Oberstaatsanwalts Horst Kröning stehen sämtliche Durchsuchungen im Zusammenhang mit Er

mittlungen zu Anschlägen auf Einrichtungen der Nato und Beschädigungen von Gleisanlagen und Signaleinrichtungen der Bundesbahn. Die Anschläge, denen die Ermittlungen gelten, fanden laut Auskunft der Staatsanwaltschaft zwischen Februar 1985 und Oktober 88 statt. Im November 1987 blockierten z.B. bislang Unbekannte bei Bremen einen US-Munitionstransport, indem sie Anker von einer Bahnbrücke auf die Schienen herunterließen. Zu der militanten Blockade bekannten sich seinerzeit die „Autonomen Zellen“.

Aufgrund welcher Indizien die Celler Staatsanwaltschaft die mutmaßlichen TäterInnen in Bremen vermutet, wollte Staatsanwalt Kröning gestern ebenso wenig verraten wie das Ergebnis der Durchsuchungsaktionen. Angeblich um den Erfolg der Aktion nicht infrage zu stellen, war nicht einmal zu erfahren, in welchen Straßen und Stadtteilen die durchsuchten Wohnungen liegen. Auch die Bremer Polizei, die die Durchsuchung in Amtshilfe durchführte, verriet weder Einzelheiten noch Fahndungsergebnisse.

Die BremerInnen, die den unerbetenen morgendlichen Besuch erhalten hatten, trafen sich ge

stern beim Bremer Rechtsanwalt Horst Wesemann. Auch sie lehnten gegenüber der taz ohne Begründung jede Stellungnahme ab. In einem RB-Rundfunkinterview erklärte ihr Anwalt Horst Wesemann allerdings, insgesamt seien rund 50 Personen von der Durchsuchungsaktion betroffen gewesen. Laut Wesemann beruhen die Durchsuchungsbefehle sämtlich auf einem Ermittlungsverfahren aus dem Jahr 1985, bei dem zwei Bremer Autonome beschuldigt worden waren, eine terroristische Vereinigung gebildet zu haben. Da allerdings zwei Personen allein noch keine „terroristische Vereinigung“ ausmachen, sei die Staatsanwaltschaft nach jahrelanger Untätigkeit und Erfolglosigkeit jetzt offensichtlich auf die Suche nach einem dritten Mitglied der von ihr konstruierten terroristischen Vereinigung gegangen. Ohne konkrete Verdachtsmomente zu bennenen, habe sie deshalb 50 BremerInnen sozusagen auf „gut Glück“ durchsuchen lassen. Wesemann: „Anhaltspunkte, die eigentlich vor der Durchsuchung hätten vorliegen müssen, sollen jetzt offensichtlich nachträglich aus dem beschlagnahmten Material konstruiert werden.“

K.S.

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