ESO-taz-betr.: taz vom 25.2.89

betr.: taz vom 25.2.89

Es gab einmal einen Traum von einer linken alternativen Tageszeitung, irgendwann wurde dieser Traum sogar wahr. Nun werden aber auch Zeitungen täglich wiedergeboren: Am 25.2., im Jahre des Pluto, kam es bei dieser Zeitung zu einem entscheidenden Quatensprung.

Unter der Überschrift „Der Nebel der Zukunft“ hat sie sich bei ihrer 2.744. Reinkarnation in ein Magazin für die grenzdebilen WassermannInnen verwandelt. Etwas störend wirken noch einige Relikte aus alter Zeit. Was sollen zum Beispiel Artikel gegen Tierversuche, wenn eine peruanische Heilerin für den hexenschußgeplagten Gringo ein Meerschweinchen zerstückeln darf (E.Rathfelder), warum Aufrufe zum „Kampf gegen die Unterdrückung in der Türkei“ (S.17), wenn doch Opfer nur Opfer sind, weil sie dieses Schicksal wählen (R.Sperling), warum einen „Ernährungskompaß“, wenn Durchfall heilt, sobald man seine Eindrücke besser verdaut (K.Wolschner), warum gegen Umweltzerstörung schreiben, wenn es möglicherweise gar keine Außenwelt gibt (M.Remann)?

Im Interesse der Meinungsvielfalt und zur Erweiterung des Zielgruppenspektrums (so heißt das doch, oder?) sollte der 25.2. kein Endpunkt sein. Vielleicht demnächst die „FASCHO -taz“, das Special für die Neue Rechte? Everything goes. (Oder „ois is isi“, wie der Bayer sagt).

Carl Freytag, München

Ob Esoterik für die vom technischen Zeitalter gebeutelten Menschen eine sinnvolle Bewußtseinserweiterung bietet oder nicht, sei dahingestellt. Einige Menschen scheint sie glücklich zu machen. Trotzdem leben wir noch immer in einer Welt, die von Unterdrückung, Ungerechtigkeit (Tätern und Opfern), Hunger und Folter beherrscht wird. Angesichts dessen eine reale Verwirklichung von Freiheit und Gerechtigkeit darin zu sehen, daß die Ermordeten und Gequälten ihrerseits in ihrem nächsten Leben den Spieß umdrehen dürfen, wenn sie nicht sowieso selbst schuld sind, weil sie es sich ausgesucht haben (im letzten Leben), kommt in seiner Zynik der Moral gleich, die politischen Mord und Unterdrückung duldet und ermöglicht. Damit machen sich die VertreterInnen einer so verstandenen „Esoterik“ zu Komplizen aller Verbrecher, die an der Macht sind.

Existenzielle Fragen und tiefere Einsichten in das Weltgeschehen sollten diese EsoterikerInnen besser denjenigen überlassen, die den Verstand noch nicht aufgegeben haben und deren Erkenntnisse nicht mit dieser Mischung aus Ignoranz und mitleidloser Unmenschlichkeit gepaart sind.

Anja Klunker, Aachen