: Be happy together
■ Luftballons, nette Jungs und ein Gruß an die Sixties: Deutschlands neue Pop-Hoffnung, „The Jeremy Days“, eroberten Bremens Teenie-Herzen am Samstag im Modernes
Ein bißchen wars wie in den goldenen 60ern: Luftballons flogen nach vorne, bei ruhigeren Songs illumierten Feuerzeuge romantisch die Szenerie, und aus den Reihen des recht jungen Publikums drang so manch ekstatischer Kiekser zu den Akteuren auf der Bühne. Selten war der Auftritt einer deutschen Popgruppe so umjubelt, wie der der Jeremy Days am Samstag: in manchen Momenten erinnerte das an die Hysterie der 60er Jahre, als die Popmusik noch gar nicht so hieß und die Welt noch in Ordnung schien. Alles nur Hype, oder sollte es so sein, daß hier eine deutsche Band die Quintessenz der Popmusik gelernt hat?
Allein der (unaufhaltsame?) Aufstieg der Jeremy Days verkörpert schon die glitzernde Traumwelt des Unterhaltungsbusiness oder die alte Mär vom Tellerwäscher: da spielen fünf Hamburger Jungs jahrelang als Real McCoy zusammen, entscheiden sich dann, mit neuem Namen die Erfolgsleiter zu stürmen, und besitzen dazu noch einen Manager, der zwei englischen Produzenten die Tür einrennt und sie tatsächlich
dazu bewegt, mit ihnen und ein paar erlesenen Gastmusikern für dreieinhalb Monate ins Studio zu gehen. Ein gefundenes Fressen für die Hype-Journallie von „Tempo“ bis „Stern“ ...
Aber es wäre ungerecht, die Jeremy Days allein daran zu messen: sie klingen so undeutsch wie kaum eine andere Band hierzulande, besitzen das gewisse Etwas, das man gemeinhin nur von englischen Musikern erwartet, und sie sind vor allem auch in der Lage, das live umzusetzen - zwar manchmal noch etwas ungelenk und nüchtern, aber auch das bringt ihnen Sympathien ein.
Diese gewisse Ungelenkheit teilen sie mit den Rainbirds, jener anderen deutschen Pophoffnung, die vor einem Jahr kometenhaft aus dem Nichts in die Charts stürmten, aber dann hörts auch schon auf mit der Vergleichbarkeit. Denn wo jene mit Blueprint einen eindeutigen Hit landeten, bewegen sich die Songs der Jeremy Days meist irgendwo im Niemandsland zwischen Ohrwurmmelodie und netter Belanglosigkeit - eben gut konsumierbar und doch auf scheinbar myste
riöse Weise so gebaut, daß sie sich nicht so schnell verbrauchen. Da tritt nicht jener Abnutzungseffekt ein, der nach fünfmaligem Hören eine Nummer zum Langweiler werden läßt. Vielleicht ist es gerade das, was sie sympathisch macht: daß sie eben nicht den einen, definitiven Hit produzieren, hinter dem sie dann vergeblich hinterherlaufen.
Ihr Geheimnis enthüllt sich am ehesten in den Songs, die ganz unmittelbar an die Sixties anknüpfen: in dem von Akustikgitarren getragenen „Don't tell me that you care“ etwa oder im alten Turtles-Hit „Happy together“, den sie a-capella singen. Da offenbart sich jene Leichtigkeit und Nonchalance aus der Geburtszeit der Popmusik, die in den letzten zwei Jahrzehnten fast verschwunden schien und die die Jeremy Days so gut studiert zu haben scheinen, daß es ihnen gelingt, so in ihren eigenen Songs wiederzuerwecken. „Don't worry, be happy“ - das ist die ganze Quintessenz. Ein Lehrstück in Sachen Popmusik; erstaunlich, daß es von einer deutschen Band zelebriert wird.
JüS
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