: „Gegen die Fallen der Gleichberechtigungspolitik“
Hannelore May, Mitdiskutantin des Frauenratschlags, zur Einmischung von Frauen in die aktuelle Berliner Politik ■ I N T E R V I E W
taz: Du bist Mitglied der Berliner Frauenfraktion, die Frauenfraktion will sich mit anderen Frauen aus der autonomen Frauenscene in die aktuelle Berliner Politik einmischen. Ihr sagt, endlich sei etwas in Bewegung gekommen, nun wird es auch Zeit für uns.
Hannelore May: Die aktuelle Situation einer Regierungsbildung ist auch für Frauen neu, wichtig und fordert zum Eingreifen heraus. In der Regierungsverhandlung sind zwar einige Forderungen der Frauenbewegung sichtbar geworden, aber insgesamt spielt das keine sehr große Rolle. Einmischen wollen wir uns nicht nur aktuell, sondern auch programmatisch. Es geht um das, was 15 bis 20 Jahre Frauenbewegung an Spuren hinterlassen hat, und um die Frage nach den Möglichkeiten, die sich ergeben könnten, wenn wir das alles, auch unseren Formen gemäß, anläßlich dieser Regierungsbildung sichtbar machen.
Sag doch mal ein paar handfeste Beispiele, so wie du dir das vorstellst. Forderungen kann man zum Beispiel haufenweise stellen, es müßte eigentlich einen Schritt weitergehen.
Auf der Ebene der Forderungen soll es ja gerade nicht bleiben. Wir wollen mit der Veranstaltung den Auftakt zu einer größeren Form der Frauenversammlung machen, eine größere Form der Frauenversammlung mindestens während dieser Regierungszeit, deswegen auch noch mal das Stichwort Weiberrat. Wir wollen eine größere Form der Selbstorganisierung und Beteiligung, möglichst auch in der Hoffnung manche Formen umzukehren, also die weiblichen Abgeordneten oder Senatorinnen zu uns bitten. Um das, was wir an Konzeptionen haben, dauerhaft in die künftige Politik dieser Stadt einzubringen. Man könnte es auch Schattenkabinett nennen, aber so meine ich es nicht, eher im Sinne der außerparlarmentarischen Frauenfraktion, die nicht nur die eine oder andere Forderung aus der Frauenbewegung rübertransportiert, sondern selbst Bewegung ist, sich organisiert, präsent ist, eingreift.
Ich kann mir das Einmischen immer noch nicht richtig vorstellen. Einmischen heißt doch mitmischen, wie soll das gehen?
Das Dabeisein hat ja auch schon eine Geschichte, es gibt einschließlich der Kritik, die wir daran haben, diese Frauenbeauftragten, und es wird verschiedene Frauen aus der Bewegung geben, die sich, sei es in Stadträten oder wiederum als Frauenbeauftragte oder BVV-Abgeordnete in dieser Runde sehr viel stärker zeigen und mitmachen als zuvor.
Wollen Frauen aus der Frauenfraktion Posten übernehmen?
Ja.
Habt ihr Namen?
Das soll auf der Veranstaltung geklärt werden.
Ihr wollt den Sprung „von der Quote zur Qualität“ schaffen. Ist das nicht ein bißchen abwertend?
Wir haben es unterschiedlich formuliert. Zuletzt vom Status Quote zum qualitativen Sprung, um dieser Einschätzung zu entgehen. Es ist unser Versuch, in dieser Spannung von „Gleichberechtigung und Autonomie“ weiterzuarbeiten. Es ist im Grunde immer dasselbe Thema. Also von allem den Anteil zu haben, zugleich aber die Qualität von Politik zu verändern. Wir denken schon jenseits dieser männlichen Einwände gegen die Quote, daß das Bleiben bei der Anteilsforderung - die Frauenbeauftragten in den Bezirken haben das am deutlichsten gezeigt - zuwenig bringt. Wenn wir zuwenig Spielraum haben, der Etat zu klein ist, die Öffentlichkeitsmöglichkeit zu klein ist, das Zusammenwirken mit der autonomen Frauenbewegung zu gering ist, daß dann die Quote auch verkommen kann, auch durch zuwenig Macht. Qualifiziert ist nicht im Sinn von Kompetenz der Frauen gemeint, sondern im Sinn von Politikveränderung, die auch Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern verändert. Wir wollen mehr Schwung, mehr Autonomie, mehr Freiheit und nicht nur Gleichberechtigung. „In and against“ gefällt mir immer gut. Diese Spannung aus der Frauenbewegung für die neuen Aufgaben in dieser Stadt.
Interview: mnu
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