piwik no script img

Nehmen, Haben, Besitzen

■ Skulputuren der Türkin Azade Köker, einer Zauberin, die Menschen aus Erde macht, in der Galerie El Patio: Ganz sicher bewegen sie sich nachts ganz langsam und erschrecken die BesucherInnen

Derzeit würde ich davon abraten, in der GALERIE EL PATIO (Am Dobben 58) eine Nacht zu verbringen. Man wäre dort keineswegs allein. Man wäre zusammen mit den Skulpturen der Türkin Azade Köker, einer Zauberin, die Menschen aus Erde macht, Golems, stumme Geschöpfe, die in seltsam schläfriger Aufmerksamkeit sehr präsent sind. Und ganz sicher bewegen sie sich nachts unendlich langsam.

Zwischen fünfzehn Zentimetern und Ein Meter Neunzig groß sind die zumeist weiblichen Terrakotten, ihre Oberfläche glänzt von Metalloxyden und sie heißen SCHMETTERLINGSFRAU, FRAU MIT KORSETT, AKKORDARBEITERIN.

Doch diese weltnahen Titel wollen nicht passen zur Archaik der Figuren, des Materials, der plastischen Form. Man denkt eher an römischen Raubzug in nubischer Wüste, Sandalen, die im heißen Sand gegen einen eingegrabenen Fetisch stoßen.

(MANN, TANZENDE FRAU mit übergroßen Geschlechtsteilen).

Vielleicht, weil Azade Köker mit Archetypen arbeitet, kommen uns ihre Golems wie alte Bekannte vor. In ihnen treffen sich verschiedene kulturelle Strömungen: Istanbul und Berlin heißen die Städte der 1949 geborenen Künstlerin. Sie studierte Keramik und Bildhauerei und hat seit 1978 ein eigenes Atelier in Berlin. Sie paßt also hervorragend ins Konzept „interkultureller Arbeit“ der charmanten Betreiber von EL PATIO, die ja auch schon mal interkulturellen Kuddelmuddel zeigten.

Azade Köker aber ist in der Tat ein Glücksfall für die Galerie, die ja nicht nur vom Betrachten allein lebt: fast reflexartig möchte man HABEN, NEHMEN, BESITZEN (Preise zwischen 850.-und 20000.-) es fällt so leicht, diese Erdmenschen libidinös zu besetzen. Und der Zeitgeist? Er nickt verstehend: ETHNO-PLASTIK

ist sicher nicht so verkehrt!

Burkhard Straßmann

Die Ausstellung läuft bis 8.4.89. Geöffnet ist Mo-Fr., 11 -18.30, Mi. 11-20, Sa. 11-14.

Während der Öffnungszeiten geht von den Plastiken keine Gefahr aus!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen