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Prima Klima in den Messehallen

■ Über 150 Länder stellen auf der Internationalen Tourismus-Börse ihre Urlaubspotentiale zur Schau / Israel und Südafrika suggerieren Harmonie

Der Traum eines jeden Weltenbummlers: einmal zu Fuß um die Welt, und das innerhalb von schlappen vier Stunden! Wer's nicht glaubt, der begebe sich in dieser Woche zur Internationalen Tourismus-Börse auf dem Messegelände. Touristikunternehmen aus über 150 Ländern halten dort noch bis zum 9. März in 25 Messehallen die Stellung und suggerieren dem Besucher in Unmengen von Hochglanzprospekten die heile Welt am Palmenstrand. „Prima Klima allerorten“, so könnte die Wettervorhersage für die alljährliche Trendschau in Sachen Pauschalreisen und Urlaubsidylle lauten. Angefangen von der Kamelsafari in Ägypten bis zum zypriotischen Schnorchelerlebnis - unermüdlich scheinen die rund 30.000 Touristikfachleute auf der Messe darum bemüht zu sein, die Urlaubsbudgets der sonnenhungrigen Traveller in die richtigen Kanäle zu leiten.

Und das gänzlich unpolitisch. Nach dem Motto: „Der Urlauber mit nötigem Kleingeld fühlt sich überall wohl, Hauptsache die Klimaanlage funktioniert, während die Sonne vom Himmel knallt“ werben auch Reiseunternehmen aus Südafrika oder Israel mit der bloßen Schönheit von Johannesburg bzw. dem Toten Meer. Wem das allein nicht reicht, der kann sich an fraulichen Rundungen ergötzen, die, in Bayerndirndl oder Kimono gequetscht, mit austauschbarem Lächeln Prospekte und Aufkleber verteilen.

Das Geschäft mit den Touristen ist für viele Länder ein ertragreiches und knallhartes Geschäft. Von „Lateinamerika Touristikpotential des 21. Jahrhunderts“ munkeln die Insider nicht länger hinter vorgehaltener Hand. In Südamerika gibt es, so steht es in der Pressemappe der ITB, ungeahnte Reserven unverbrauchter Strände und Natur. Da scheint es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis Reiseunternehmen a la Kleckermann auch diese „Marktlücke“ hotel- und schwimmbadweise vermarkten.

Kritische Stimmen zum Thema Touristik sind auf der ITB jedoch auch zu hören. So hat sich Greenpeace in Halle 21 standgemäß eingerichtet, um über die Zusammenhänge zwischen Urlauberströmen und Umweltverschmutzung aufzuklären. Für einen „sanften Tourismus“ plädiert auch die Arbeitsgemeinschaft „Tourismus mit Einsicht“ in Halle 8. Sie appellieren an die TouristInnen, mehr Verständnis für Land und Leute in ihrem Urlaubsort aufzubringen. Wer mit Hot pants und bloßem Oberkörper durch islamische Städte schlendere, der dürfe sich nicht wundern, wenn anzügliche bis finstere Blicke durchbohrende Wirkung zeigten, so die Intention der AG, die sich überall dort einsetzt, wo einheimische Menschen und Natur unter den einschwappenden Urlauberwellen zu leiden haben.

Zu essen gibt es auf der ITB so gut wie gar nichts. Vielleicht ist dies der Grund, weshalb die Messe, im Gegensatz zur „Grünen Woche“ im Januar nur mäßig besucht ist. So bilden sich größere Menschenaufläufe allenfalls vor den Imbißbuden in den Hallendurchgängen. „Der Eisverkauf ist rapide gestiegen“, meint eine Verkäuferin. Eine Huldigung an den strahlendblauen Himmel über Berlin? Vielleicht aber vor allem der Frust so manchen Messebesuchers, der sich die Kreuzfahrt ins ewige Eis der Antarktis (Kosten: etwa 10.000 Mark) nicht leisten kann. Preisausschreiben, bei denen die sogenannte Traumfahrt für zwei Personen zu gewinnen ist, werden so gut wie gar nicht angeboten. Was dem bloßen Publikum da noch bleibt? Plakate, Broschüren, Wimpel und Buttons einsammeln. Mit deren Hilfe können sich die Wände so manchen Berliner Wohnklos zupflastern lassen. Das muß wohl auch der ältere Herr in Hausschuhen gedacht haben, der die Stände in Halle 10 abklapperte und höflich fragte: „Hamse mal 'n Plakat für mich? Det is für meine Fototapete zu Hause, wenn's geht mit viel Sonne druff.“

cb

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