piwik no script img

„Demokratiewidriges“ Wahlrecht

CDU/CSU beschließt Verfassungsklage gegen kommunales Wahlrecht für Ausländer / „Demokratiewidrige Fremdbestimmung“ / Darmstädter Gutachter fordert Ausländerintegration anstatt Ghettoisierung  ■  Von F.Forudastan/V.Gaserow

Bonn/München/Berlin (taz/ap) - Einstimmig hat die CDU/CSU -Bundestagsfraktion am Dienstag beschlossen, gegen die Einführung eines Kommunalwahlrechts in Hamburg und Schleswig -Holstein Verfassungsklage zu erheben. „Demokratie bedeutet Selbstbestimmung des Volkes, die Einführung eines Ausländerwahlrechts hingegen ist demokratiewidrige Fremdbestimmung“, so begründete Manfred Langner, Justitiar der Unionsfraktion, gestern in Bonn diesen Beschluß. Ausländer, die wählen wollen, sollten sich einbürgern lassen, forderte Langner. Daß nur ein Prozent der hier lebenden Ausländer einen Einbürgerungsantrag stellt, ist für Langner ein Beweis dafür, „daß das Wahlrecht keinen vorrangigen Wunsch dieser Bevölkerungsgruppe darstellt“. Ausländer sind auch deutschen Gesetzen unterworfen - das ist nach Langners Ansicht kein Argument: Schließlich werde der Ausländer von all diesen Gesetzen auch geschützt. Noch am 19.Januar hatte die gesamte Union im Deutschen Bundestag einstimmig das Ausländerwahlrecht auf allen Ebenen für EG -Bürger gefordert. Darauf angesprochen meinte Langner jedoch nur: „Ungelegte Eier.“ Die bayerische SPD hat die CSU wegen ihrer ablehnenden Haltung zum Kommunalwahlrecht für EG -Ausländer mit einem „hysterischen Hühnerhaufen“ verglichen.

Anders als die Ausländer- und Asylpolitik der CDU/CSU liest sich ein vom Bundeskanzleramt in Auftrag gegebenes Gutachten, das am Dienstag der Presse vorgestellt wurde. Darin schreibt der Darmstädter Professor für Volkswirtschaftslehre, Bert Rürup, die Bundesrepublik sei faktisch längst zu einem Einwanderungsland geworden und müsse sich dazu auch bekennen. Schon heute bestehe in vielen Bereichen ein noch wachsender Bedarf an ausländischen Arbeitskräften. Unter dem Titel „Wirtschaftliche und gesellschaftliche Perspektiven der Bundesrepublik Deutschland“ fordert Rürup als Reaktion auf die demographischen Veränderungen der nächsten Jahre u.a. eine „offensive Ausländerpolitik“. Die Fehler der Vergangenheit, die eine Ghettobildung statt eine Integration von Ausländern gefördert hätten, dürften nicht wiederholt werden. Rürup in seinem Gutachten wörtlich: „Der integrationsfördernden Phantasie sollten gerade im langfristigen Interesse unserer Gesellschaft keine administrativen Fesseln angelegt werden.“ Andernfalls würden irgendwann nicht nur die Renten- und Sozialleistungen unbezahlbar sein. Ohne die Zuwanderung und Integration von Ausländern würde die BRD „eine sich schon jetzt in vielen Bereichen abzeichnende Alterssklerose“ und einen „Verlust an geistiger Vitalität“ zu verzeichnen haben.

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen