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Sudanesischer Teufelskreis von Hunger und Krise

Im Südsudan rund 100.000 Menschen vom Hungertod bedroht / Nach Beginn der Regenzeit kann die Versorgungslage nur noch schlimmer werden / Während Geberländer in Khartum über Nothilfe beraten, eskaliert unter Premierminister Sadek el-Mahdi die Krise  ■  Aus Khartum Knut Pedersen

Fünf Jahre Bürgerkrieg im Süden Sudans haben der Bevölkerung eine grausame Regelmäßigkeit bestätigt: Wer überlebt, überlebt von Trockenzeit zu Trockenzeit. Sobald der Regen einsetzt, verwandelt sich der Süden des flächenmäßig größten afrikanischen Landes in einen riesigen, von der Umwelt abgeschnittenen Sumpf. Selbst die Versorgung aus der Luft wird oft unmöglich, wenn der Lateritboden der Landebahnen nach tagelangen Niederschlägen vollends aufgeweicht ist. Im vergangenen Jahr sind während der Regenzeit mehr als 250.000 Menschen verhungert - vielleicht gar eine halbe Million. Niemand weiß es genau, die meisten sind auf der Flucht in den Norden gestorben.

„Die Trockenzeit geht zu Ende, und wir haben es nicht geschafft, auch nur zehn Tonnen Nahrungsmittelvorräte in den Süden zu bringen“, erklärte vergangene Woche in Khartum Dominique Gross vom Internationalen Roten Kreuz. Dabei wären 100.000 Tonnen Nahrung nötig, um ohne Hungerkatastrophe übers Jahr zu kommen. „Mindestens 100.000 Menschen werden noch vor dem Einsetzen der Regenzeit im Mai sterben, wenn wir nicht entscheidende Maßnahmen ergreifen“, beschwor am Dienstag der Unicef-Generalsekretär James Grant. Er präsidiert seit gestern eine Nothilfekonferenz aller Geberländer, die in der sudanesischen Hauptstadt nach Wegen und Mitteln suchen, um ein erneutes Massensterben zu verhindern.

Warum ist die Trockenzeit so ungenutzt vorübergegangen? Auf die einfache Frage gibt es nur ungenügende Antworten. Zum einen, weil ausreichend Nahrung ins Land gebracht wurde, aber nicht dort ankommt, wo sie gebraucht wird - aus logistischen, kommerziellen und politischen Gründen. Transportprobleme erweisen sich als ebenso unüberwindbar wie die kafkaeske Zentralbürokratie. Skrupellose Händler in Khartum fliegen tägliche zwei Transportflugzeuge voll Zucker und Waschpulver nach Juba, in die belagerte Hauptstadt der südlichen Äquatorialprovinz. Das bringt mehr ein als Grundnahrungsmittel für insolvente Hungerflüchtlinge, die sich von den letzten Ratten ernähren, bevor sie ausgezehrt in den Straßen sterben. Die politischen Gründe liegen nicht immer auf sudanesischer Seite. Die öffentliche Meinung in westlichen Geberländern ist seit der Flutkatastrophe in Khartum im vergangenen August so gründlich „sensibilisiert“, daß die Regierungen um jeden Preis Nahrungshilfe „in den Süden pumpen“ wollen. Von Kenia aus haben NGOs wie beispielsweise die „Norvegian People's Aid“ mehrere tausend Tonnen amerikanischer Nahrungshilfe in die von den Rebellen der SPLA (Sudanese People's Liberation Army) kontrollierten Gebiete gebracht - ohne Absprache oder Verhandlungen mit der Regierung in Khartum. Das Ergebnis: Beide Seiten können nun den Hunger auch als Waffe gegen den jeweiligen Gegner nutzen.

Seit Mitte April ist die Luftbrücke des Internationalen Roten Kreuzes unterbrochen. Mit jedem verlorenen Tag kommen rund 70 Tonnen Nahrung nicht in den notleidenden Süden. 17 Kilogramm genügen, um das Überleben eines Erwachsenen für einen Monat zu sichern. Im morbiden Kalkül bedeutet das mehr als 12.000 vermeidbare Hungertage...

Und die sudanesische Regierung? De facto ist sie seit mehr als zwei Wochen handlungsunfähig. Premierminister Sadek el -Mahdi einerseits und die Armee und Opposition andererseits verständigen sich nunmehr per Ultimatum.

Am vergangenen Wochenende sollte dann alles ganz anders werden. Rund 40 Parteien und Gewerkschaften unterzeichneten einen „Regierungspakt“, der Frieden im Süden, die „Aussetzung“ des islamischen Strafrechts, das Ende der Milizen, mehr Demokratie und eine unabhängige Außenpolitik vorsah. Aber vier Tage später steht die Bildung einer „Regierung für nationale Einheit“ noch immer aus. Was er hingegen von „unabhängiger Außenpolitik“ hält, hat Sadek el -Mahdi bereits demonstriert: Eine seit langem vorbereitete Reise nach Kairo wurde kurzfristig abgesagt und durch eine Stippvisite in Libyen ersetzt. Kommentar eines arabischen Diplomaten in Khartum: „Wenn Sadek el-Mahdi einen Militärputsch provozieren wollte, würde er sich nicht anders verhalten.“

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