: „Vollzugsdefizite“ im Umweltschutz
Umweltgutachten und Immissionsschutzbericht im Bundestag / „Die Regierung hat versagt“ ■ Aus Bonn Gerd Nowakowski
Eine weitgehende Diskrepanz zwischen Worten und Taten hat die Opposition Umweltminister Töpfer (CDU) in der Debatte über den Umweltbericht 1987 vorgeworfen. Der SPD -Parlamentarier Lennartz wies auf Versäumnisse in allen Umweltbereichen hin und erinnerte an die im sechshundertseitigen Gut achten angemahnte Notwendig keit für ein „sektorübergreifen des und in sich abgestimmtes Konzept“.
Liselotte Wollny von den Grünen beklagte angesichts der nur zweistündigen Debatte die geringe Bedeutung, die die Umweltpolitik trotz der immer weiter zunehmenden Gefährdung des Lebens bei den Regierungsparteien spiele. Statt endlich zu handeln, würden Umweltprobleme wie beim Mülltourismus in die Dritte Welt verschoben. Nicht das Verursacherprinzip komme zur Anwendung, sondern durch marktwirtschaftliche Instrumente, wie sie die FDP forderte, werde den Umweltfrevlern von der Industrie die Gelegenheit gegeben, zweimal Profit zu machen: erst mit der Vergiftung der Umwelt und dann mit den Reparaturmaßnahmen.
Demgegenüber verwies Umweltminister Töpfer auf die Feststellung des Gutachtens, die Bundesregierung sei auf dem richtigen Weg, wohlwissend, daß es im Gutachten im Nebensatz weiter heißt, dieser Weg müsse „konsequenter beschritten werden“. Die Bundesregierung werde sich sowohl auf ökonomische Anreize als auch auf Ordnungsmaßnahmen stützen, machte Töpfer deutlich. Er verwies auf Überlegungen, die Kfz -Steuer auf Emissionswerte umzustellen und eine Umweltabgabe einzuführen. Der CSU-Abgeordnete Fellner hielt der Opposition vor, sie versetze mit ihrer Warnung vor den Umweltgefahren die Bevölkerung grundlos in „Angst und Schrecken“. Die Vorsorgestrategie der Bundesregierung verhindere Gesundheitsbelastungen. Der FDP-Politiker Baum konsta tierte zwar richtige Verord nungen, aber erhebliche „Vollzugs defizite“.
Das Gutachten - das letzte stammt von 1978 - listet umfassend die zunehmenden Umweltbelastungen von Luft, Wasser, Boden und Lebensmitteln auf. Im Vorwort wird allerdings eine „Null-Emission“ als „unerfüllbare Forderung“ eingestuft. Im Mittelpunkt der nachfolgenden Diskussion über den Immissionsschutzbericht der Bundesregierung stand die unerwartete Entwicklung des Stickoxidausstoßes durch Kraftfahrzeuge. Der LKW-Verkehr werde in den nächsten Jahren durch den EG-Binnenmarkt deutlich ansteigen. Trotz einer von der Industrie versprochenen 20prozentigen Reduzierung der Dieselschadstoffe werden diese absolut zunehmen. Auch die Großfeuerungsanlagen-Verordnung habe seit 1983 keine Reduzierung, sondern eine Zunahme der gesamten Stickstoffbelastung gebracht, monierte die SPD und forderte eine Luftreinhaltungs offensive.
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