: CeBIT:„Zu hektisch“, „uninteressant“
„Drücken Sie einfach die Return-Taste“ / Mit Beratung bald mehr Geschäfte als mit Hardware ■ Aus Hannover Martin Fischer
Seit Mittwoch ist sie wieder eröffnet, die CeBIT. Das Welt -Centrum für Büro-, Informations- und Telekommunikationsindustrie wird, so hofft die Messeleitung, eine halbe Million BesucherInnen nach Hannover locken. Dort haben mehr als 3000 Firmen aus 40 Ländern 235.800 qm Ausstellungsfläche in ein technotronisches Schlaraffenland verwandelt. Nach der stürmischen Expansion früherer Jahre und zwei „wirtschaftlich schwierigen Jahren“ habe die High -Tech-Branche, so die beiden Industrieverbände VDMA und ZVEL auf ihrer ersten gemeinsamen Pressekonferenz, 1988 „wieder Tritt gefaßt“. Mit einer Zuwachsrate deutlich über der gesamtwirtschaftlichen Steigerung wird auch für 1989 gerechnet. Verwöhnt vom schnell gemachten Geld in der Ära des PC-Booms mit seiner Serie von heftigen Innovationsschüben, hat die digitale Welt hierzulande noch zu wenig Erfahrung mit dem ganz normalen kapitalistischen Alltag, der neben der Branche auch die CeBIT eingeholt hat. Natürlich wird alles von Jahr zu Jahr besser, schneller, kleiner und schöner. Einschneidende Neuerungen aber kann das CeBIT-Spektakel diesmal nicht aufweisen. Statt dessen viel Gedöns über Vernetzung und Integration für die Großen sowie Komplettlösungen von A wie Abfüllbetriebe bis Z wie Zoohandel für die Kleinen.
Die Konzentration auf Verkaufbares auf Kosten der Zukunftsperspektiven macht die CeBIT für das Fachpublikum vielfach „uninteressant“. „Der CeBIT-Gang“, sagt einer, „ist eine zu aufwendige Art der Informationsbeschaffung.“ „Zu hektisch“, „überflüssig“, „unübersichtlich“ und „zu viel Show“ beklagen andere. Vor allem fehle bei den Ausstellern „der vernünftige Gesprächspartner“. Tatsächlich stellen sich die Anbieter verstärkt auf neue Kundschaft ein. Erst 20 Prozent der 1,6 Millionen BRD-Unternehmen mit bis zu zehn Arbeitsplätzen sind computerisiert.
Die Branche, die sich über „ungeheure Summen“ beklagt, die sie angeblich in „Humankapital“ investiert, spart zumindest daran auf der diesjährigen CeBIT kräftig. Alles läuft wie von unsichtbarer Hand gesteuert von alleine, kaum ein Terminal, an dem tatsächlich gearbeitet wird. Programmabläufe werden überwiegend durch automatisch ablaufende Eingabesimulationen vorgeführt. Was im Firmenalltag für Wochen und Monate den Betrieb lahmlegt, funktioniert am Messestand plötzlich problemlos. Keine Tücken der Software, keine Widerspenstigkeit des „Humankapitals“ stört die „realistische Demonstration“. Das Messepersonal hat endlich Zeit, ungestört Geschäftskarten einzusammeln. Fragen werden wie selbstverständlich mit dem Griff in die Prospektberge beantwortet. Und rar gewordene live-Demonstrationen wecken Erinnerungen an die guten alten Schlipsverkäufer: „Und dann drücken sie einfach die Return -Taste.“ Wenn das im eigenen Büro dann doch nicht so recht klappen will, ist es auch nicht schlimm. Die deutsche DV -Szene ist ohnedies dabei, bald mit Software, Wartung und Beratung mehr Geld zu machen als mit Hardware. „Gesamtverantwortliche Partner aus der Fachwelt“ besorgen „Projektverwirklichung, Systemeinführung, Benutzerbetreuung und Systemausgestaltung“ immer öfter auch bei simplen PC -Anwendungen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen