: Au Eia!
■ Was Heringe und Ostereier miteinander zu tun haben / Ein Sonntagsausflug nach Schloß Schönebeck / Eierliebende BremerInnen vor 700 liebevollen Exponaten
Nie hätte ich gedacht, daß so viele Menschen sich so für Eier interessieren können. Parkplätze waren nicht zu kriegen. Blicke auf die eierigen Exponate hinter schieben
den Zuschauerschlangen auch kaum. Deshalb bin ich erst mal eine Etage höher gegangen. Das Ganze spielt im Bremen-Norder Schloß Schönebeck, übrigens kinderleicht zu finden, weil von der Autobahnabfahrt St. Magnus aus bestens ausgeschildert. Weil das Schloß ein Schloß ist, aus schwerem Fachwerk mit Backsteinen und sandsteinernen Zierblenden, ist es malerisch wasserumflossen und entenbestückt, also der Inbegriff eines Sonnntags-Ausflugs-Ziels mit anschließendem Kaffeeklatsch.
Und weil das Schloß ein Heimatmuseum ist, handelt die obere Etage wunderbar von Schiffen und Heringsfang, von Bootsbau und leibhaftigen Hand-auf-die Brust-Galionsfiguren beiderlei Geschlechts (was die Oberkörper betrifft). Sowieso: Schiffe, als Modelle, Zeichnungen, Ölbilder und in Flaschen, zuhauf. Ein Zimmer nur für Heringe: Öljacken, Salztröge, Fässer und der Hocker einer Netz-Stickerin. Und ein Reeperbahn-Modell, wo früher die Taue gezwirnt, gedreht und gewickelt wurden mit däumlinggroßen Männern bei der Ar
beit. Am Original-Steuerstand, so schien es, hatte der Seemann seine Messingknopf-Jacke soeben über den Nagel gehängt, vor sich die nautischen Instrumente und back- und steurbord eine mächtige rote und grüne Kugel, damit da nichts verwechselt wird. Eine Bootsbauwerkstatt mit Spänen und Werkzeugen, die selber Kunstwerke sind. Vom Boden bis zur Decke ein einziger gewaltiger Knochen: Und das ist nur der Kiefer eines Bartenwals! Da macht sich das raumfüllende Skelett, luftig über den Köpfen aufgehängt, fast mickrig. Trotz Hering und toten Tieren riecht die Luft kein bißchen so.
Eigentlich solle ich mich um die Eier kümmmern. Also weg von dem Stöber-Ort und rein in die Massen. 700 Eier, Ostereier, hängen ausgeblasen und farbig gestaltet von dünnen Schnüren, liegen zusammen mit gebackenen und puderzuckerbestäubten Osterlämmern in Nestern, schmücken altdeutsch gedeckte Ostertische, präsentieren sich in Forsythien und Buchsbaum kunstvoll perforiert, masurisch oder kaschubisch bemalt, lassen
Bibelsprüche oder originelle „Frohe Ostern“ lesen. Ab und zu eine ostereierfreundliche Dame, die die Stücke für 8, 12, auch 50 Mark anbietet. Mehr als auf die nur fingerkuppenkleinen Zebrafinken-Eier paßt naturgemäß auf kindskopfgroße Straußeneier drauf: einmal die ganze Wachtstraße perspektivisch mit zwei vollen Häuserzeilen, ein anderes Mal eine ganze Landschaft „Erinnerungen an Ostpreußen“. Wer nun aber denkt, daß das meiste nur dekorative Bordüren oder illustrativer Schnickschnack ist, irrt: Wellen bedeuten ewiges Leben, Weidenkätzchen die Auferstehung, Zackenlinien die Dornenkrone Christi. Das Publikum, so schien es, hatte prosaischere Interessen. Die Frauen klauten nämlich unverhohlen Ideen für ihre häuslichen Hühnerei-Ostersträuße. Die meisten käuflichen Ostereier werden übrigens schon im Herbst gelegt, gekocht, gefärbt und mit Lack versiegelt. Guten Appetit. S.P
Öffnungszeiten für die Eierschau: Di., Mi. und Sa. 15-17 Uhr, So. und Ostermontag auch von 10-12.30 Uhr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen