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POP & PLÖDSINN

■ „They Might Be Giants“ im Ecstacy

Das Leben ist hart genug, aber trotzdem gibt es jede Menge blödsinnige Dinge, um es noch eine Spur verworrener und frustrierender zu gestalten. Da wären zum Beispiel offizielle Konzertanfangszeiten, die Sitte, sie durch Zuspätkommen kollektiv nach hinten zu verlegen, und die Laune einer Agentur, die Leute, die das einplanen, auflaufen zu lassen. Gottseidank war da noch die Hauptgruppe „They Might Be Giants“, sonst wäre der Schreiberling durch das geschickte Umgehen der Vorgruppe „Deja Voodoo“, die eigentlich sein einziges Anliegen war, noch gänzlich eines Gegenstand der Kritikfähig verlustig gegangen.

Der Rhythmus kommt vom Band, Akkordeon, Gitarre und Gesang sind live, viele Stücke acapella, aber trotzdem vermisse selbst ich als überzeugter Rockist nichts. Ich stehe auf der Treppe, hinter dem jungen Mann mit der Hornbrille und dem jungen Mann mit den mittellangen Haaren, beide in schmucklosen Shirts und Jeans, genau die Art von Nachbarn, die man nie sieht, die einen aber jeden Morgen aufwecken, weil sie gerade auf dem Flohmarkt ein neues, abgedrehtes Instrument, so eine Art indische Mondlaute, gekauft haben, diese unbedingt ausprobieren müssen und damit durchs ganze Haus tröten oder auf die Idee kommen, auf ihrem Anrufbeantworter einen Dial-a-tune-Service zu installieren, und jeden zweiten Tag einen anderen selbstkomponierten Song aufnehmen.

Ich stehe also auf der Treppe hinter der Bühne, und Hunderte von glänzenden Augen können nicht irren - das ist es, was sie wollten: Spaß, sophisticated natürlich. Aber für Hirnrissigkeiten wie „Youth culture killed my dog“ sind wir immer zu haben. Die Verbindung zwischen Kunst und Kacke oder treffender zwischen Pop und Plödsinn ist perfekt.

Auch einen Sinn fürs Kabarett haben die jungen Herren und bitten jemanden mit einem „ausgeprägten Rhythmusgefühl“ auf die Bühne, dem sie einen mittelgroßen Baumstamm in die Hand drücken und ihn anweisen, den Takt zu schlagen. Als der Gastmusiker nach wenigen Sekunden sein Stück Holz nicht mehr unter Kontrolle hat, wird das Publikum gebeten, zu helfen und mitzuklatschen. Aber selbst der Ratschlag, nicht mehr hinzuhören, sondern einfach auf die Hände vor der Bühne zu sehen, hilft nicht weiter und erst beim dritten Anlauf schafft man es bis fast ans Ende des Stücks.

Zwei typische Amistudenten (Oststaaten, in Boston zur Schule gegangen, wahrscheinlich der einzige Ort in den USA, wo man auf solche Ideen kommen kann), die vor nichts zurückschrecken, überzeugte Bewohner Brooklyns, die Manhattan versenken wollen, mit einer verschrobenen Auffassung von Musik, die man nicht einmal Engländern zutrauen dürfte, toben wie ein paar kleine Kinder durchs poppige Kaufhaus Postmoderne. Nichts ist heilig, keine noch so schmalzige Melodie, kein noch so abgestandenes Riff und alles, was hitverdächtig ist, sowieso, alles wird angetatscht und begriffelt mit dicken, fettigen Fingern. Aber den Kleinen darf man nicht böse sein, dazu lächeln sie viel zu unschuldig, wenn man ihnen auf die Patschhändchen hauen möchte.

Thomas Winkler

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