„Schlimmste Schlacht des Afghanistankriegs“

■ Hohe Verluste, vor allem auf Mudschaheddinseite, bei den Kämpfen um die afghanische Garnisonstadt Dschalalabad / Mudschaheddin forderte Einwohner auf, die Stadt zu verlassen / Bei ständiger Frontenverschiebung immer mehr Opfer unter den Zivilisten

Kabul/Moskau/Islamabad (afp/taz) - „Ich denke, daß wir die Stadt heute nacht einnehmen“, sagte Abdul Kabir, ein Sprecher der fundamentalistischen Hesb-i-Islami des Mudschaheddin Yunus Khales am Samstag. Seit einer Woche toben die Kämpfe um die Garnisonstadt Dschalalabad, seit Monaten beteuern die Mudschaheddin, die drittgrößte Stadt Afghanistans im Handumdrehen einnehmen zu können. Doch noch ist es nicht so weit.

„In 27 Stunden habe ich 76 mörderische Luftangriffe gezählt“, berichtete ein spanischer Korrespondent, der sich mit Mudschaheddin-Einheiten in der Altstadt von Dschalalabad aufgehalten hatte. Selbst ein ranghoher Offizier der afghanischen Armee bezeichnete am Samstag die andauernden Kämpfe als die schlimmste Schlacht des Afghanistankrieges. Vor allem die Mudschaheddin haben schwere Verluste erlitten. Die Agenturen 'Tass‘ und 'Bachtar‘ sowie einer der von Pakistan aus operierenden Widerstandskämfer, Humayun Khairkhwa, nannten übereinstimmend mehr als 350 Gefallene. In den letzten Tagen seien darüber hinaus mehr als 200 verwundet worden. Darstellungen aus Moskau, nach denen auf Seiten der Regierungstruppen höchstens 15 Männer ums Leben kamen, blieben unwidersprochen. Die im vergangenen Monat gebildete Übergangsregierung der Mudschaheddin rief die Einwohner auf, die Stadt zu verlassen, und versprach, nach der Eroberung auf Racheakte gegen Anhänger der Kommunisten zu verzichten. Yunis Khalis appellierte an seine Kämpfer, Verluste unter der Zivilbevölkerung möglichst zu vermeiden. Da sich die Fronten jedoch ständig verschieben, werden immer häufiger Zivilisten Leidtragende der Schlacht um Dschalalabad. Viele Flüchtlingskolonnen werden zudem Opfer der Bombardements der afghanischen Armee, die aus großer Höhe die Angriffslinien der Mudschaheddin zu treffen versucht.

Der afghanische Staatspräsident Nadschibullah beschuldigte die Regierung in Pakistan am Samstag erneut, auf der Seite der Mudschaheddin in den Bürgerkrieg einzugreifen. In einer Botschaft an die UNO sowie an die Sowjetunion und die USA als Garantiemächte des Genfer Abkommens erklärte er, pakistanische Truppen seien direkt an der derzeitigen Großoffensive der Rebellen beteiligt. Weitere pakistanische Verbände seien angriffsbereit an der gemeinsamen Grenze aufmarschiert.

Die 'New York Times‘ berichtete am Sonntag, die US -Regierung bemühe sich in den kommenden Monaten, die an die Mudschaheddin gelieferten Stinger-Raketen gegen landwirtschaftliche Ausrüstung, Zuchttiere und Bewässerungsanlagen zurückzutauschen. Der Rückkaufauftrag der 200 bis 500 Stinger-Raketen sei dem CIA am Mittwoch erteilt worden. Es werde befürchtet, die äußerst effektiven Raketen könnten in die Hände von Waffenhändlern und Terroristen fallen. Die ersten Steine fundamentalistischer Rushdie-Jäger sind ja bereits gegen das amerikanische Kulturzentrum in Islamabad geflogen. Die Affäre um Salman Rushdie und die Lage in Afghanistan wird heute auf der Tagesordnung der Islamischen Weltkonferenz in Riad stehen. Nachdem am Donnerstag Saudi-Arabien die Übergangsregierung anerkannt hat, hofft Islamabad, daß mehrere der insgesamt 46 ICO-Staaten nachziehen.

Sl