Jein zum Sozialversicherungsausweis

Gedämpfte Zustimmung auf einer Expertenanhörung / Ab 1990 sollen die Bundesbürger mit einem Sozialversicherungsausweis zur Arbeit gehen / Einführung der Plastikkarten kostet rund 75 Millionen Mark  ■  Von Vera Gaserow

Berlin (taz) - Mit einem gedämpften „Im Prinzip ja, aber...“ bewerteten gestern rund 20 Sachverständige einer Expertenanhörung im Bundestag die Pläne zur Einführung eines Sozialversicherungsausweises für die gesamte arbeitende Nation. Nach den Plänen der Bundesregierung soll die fälschungssichere, mit einem Foto und der jeweiligen Sozialversicherungsnummer ausgestattete Plastikkarte zur Bekämpfung der Leih- und Schwarzarbeit dienen und Empfänger von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe an unerlaubtem Zuverdienst hindern.

Ursprünglich sollte der Ausweis schon zum 1.April 89 eingeführt werden. Jetzt ist er für den 1.1. 1990 geplant. Bis 1993 sollen dann sämtliche ArbeitnehmerInnen, darunter auch die nur geringfügig Beschäftigten, die bisher nicht sozialversicherungspflichtig waren, mit der Plastikkarte ausgestattet sein. Beschäftigte im Baubereich und im Gebäudereinigungsgewerbe müssen den Ausweis ständig bei sich tragen. Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger werden den Ausweis bei den jeweiligen Ämtern hinterlegen müssen, damit sie nicht - an Steuer und Sozialversicherung vorbei unbemerkt ihre kärglichen Unterstützungsgelder aufbessern.

Nur der von den Grünen geladene Sachverständige, Peter Diepholzmann, äußerte grundsätzliche Kritik an dem Mammutwerk der „Verausweisung“ der Nation. Er warnte vor allem davor, daß die auf dem Ausweis enthaltene Sozialversicherungsnummer als lebenslange Personenkennziffer benutzt werden könnte. Die anderen Experten von Krankenkassen, Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften stimmten dem Ausweis im Prinzip zu.

Ob er jedoch tatsächlich seinem erklärten Ziel, der Kontrolle der „Schwarzarbeit“ und des „Leistungsmißbrauchs“, diene, wagten etliche Sachverständige zu bezweifeln. Denn solange bei den Arbeits- oder Gewerbeämtern nicht genug Personal für Kontrollen da sei, nütze auch der beste Ausweis nichts. Sozialversicherungsträger und Arbeitgeber, die künftig Bußgelder zahlen sollen, wenn sie Mitarbeiter ohne Sozialversicherungsausweis beschäftigen, fürchten überdies einen ungeheuren Verwaltungsaufwand.

Rund 75 Millionen wird allein die Ausstattung der Nation mit den umstrittenen Plastikkarten kosten. 142 Millionen zusätzliche Kosten jährlich sehen die Krankenkassen auf sich zukommen. Mit 750 neuen Stellen und insgesamt 57 Mio. Mark rechnet die Bundesanstalt für Arbeit als Folgekosten des Ausweises, von dem keiner so richtig weiß, was er bringt, außer einem unübersehbaren Datenschutzrisiko und einer Aufdeckung der kleinen Nischen des Arbeitsmarktes.