Giftgasopfer - schon vergessen?

■ Mahnwachen zum Jahrestag des Giftgasangriffs auf Halabja

Berlin (taz) - Giftgasangriff auf Halabja vor genau einem Jahr: Mit Mahnwachen und Kundgebungen in verschiedenen Städten der Bundesrepublik erinnerten gestern Menschenrechtsorganisationen an den Angriff der irakischen Armee auf die kurdische Stadt. Mehr als 5.000 Menschen, überwiegend Frauen und Kinder, starben in der irakischen Stadt einen qualvollen Tod. Die Produktion des Giftgases wurde im Irak erst durch Lieferungen deutscher Firmen ermöglicht. Die Ermittlungen gegen diese Firmen, unter ihnen Karl Kolb aus Darmstadt und WET aus Hamburg, schleppen sich seit Jahren hin.

Zur Zeit versuchen die beiden Menschrechtsorganisationen medico international und die Gesellschaft für bedrohte Völker im Auftrag kurdischer Giftgasopfer einen Schadensersatzprozeß gegen diese Firmen in der Bundesrepublik durchzusetzen. Die Opfer der irakischen Giftgaseinsätze leben bis heute entweder in Lagern in der Türkei oder im Iran. Zu dem Mangel an ärztlicher Versorgung und schlechter Ernährung kommt in der Türkei noch die strenge Internierung der kurdischen Flüchtlinge hinzu.

Einem Hilfsteam von medico gelang es Anfang März erstmals, Spendengelder direkt an Delegierte der Lagerbewohner in der Türkei zu übergeben. Bislang hatte die türkische Administration allen internationalen Organisationen den Zugang zu den Lagern verwehrt. Das medico-Team berichtete nach seiner Rückkehr, sie hätten bei der Zollabfertigung in der Provinzstadt Diyarbaker über eine Tonne Warenspenden aus der BRD herumstehen sehen, die nicht verteilt wurden.

Bis heute weigert sich die Türkei, die irakischen Kurden offiziell als Flüchtlinge anzuerkennen. Statt dessen hat Ankara Anfang März mit dem irakischen Baath-Regime einen Coup ausgehandelt, um die Giftgasopfer vielleicht wieder loszuwerden. Die Türkei gewährte dem Irak einen Schulderlaß

-im Gegenzug bot Bagdad den rund 40.000 Flüchtlingen eine Amnestie an, um der Türkei die Abschiebung der Kurden zu ermöglichen.

JG