: „Wir versprechen nicht das Paradies auf Erden“
Der Entwurf des neuen SPD-Grundsatzprogramms in Auszügen ■ D O K U M E N T A T I O N
Der Entwurf für ein neues SPD-Grundsatzprogramm umfaßt fünf Kapitel. In der Einleitung (Präambel) heißt es unter dem Motto „Was wir wollen“:
„Wir Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen wollen den Frieden sichern und die Natur als Grundlage des menschlichen Lebens schützen. Wir wollen die Gesellschaft menschenwürdig und sozial gerecht gestalten, Bewahrenswertes erhalten, lebensbedrohende Risiken abwenden.
Wir wollen eine Zukunft,
in der die Völker der Erde in gemeinsamer Sicherheit leben, ihre Konflikte nicht durch Wettrüsten, sondern in friedlichem Wettbewerb um ein menschenwürdiges Leben austragen,
in der eine Politik der Partnerschaft und eine Kultur des Streits den Konflikt zwischen Ost und West mildern und schließlich überwinden,
in der wir mit den Völkern Westeuropas in einem demokratischen und sozialen Bundesstaat leben, eingebettet in eine gesamteuropäische Ordnung des Friedens und der Zusammenarbeit, in der die Völker des Südens durch eine gerechte Weltwirtschaftsordnung faire Chancen zu eigenständiger Entwicklung haben.
Je gefährdeter die Welt, desto nötiger der Fortschritt. Wer Bewahrenswertes erhalten will, muß verändern: Wir brauchen einen Fortschritt, der den Frieden nach innen und außen sichert, das Leben von Mensch und Natur bewahrt, Angst überwindet und Hoffnung weckt. Wir brauchen einen Fortschritt, der unsere Gesellschaft freier, gerechter und solidarischer macht. Ohne diesen Fortschritt hätte der Rückschritt freie Bahn. Darum wollen wir Sozialdemokraten gemeinsam mit den Sozialisten aller Länder für ihn arbeiten.“
Weitere Aussagen in dem Entwurf sind:
Das Verständnis von Politik: „Politik kann nur Bedingungen für ein sinnerfülltes Leben schaffen. Wenn sie selbst Glück und Erfüllung bewirken will, läuft sie Gefahr, in totalitäre Reglementierung abzugleiten. Politik, die mehr sein will als der Vollzug wirklicher oder angeblicher Sachzwänge, muß getragen oder durchgesetzt werden vom Bewußtsein und Engagement der Bürgerinnen und Bürger. Sie wird möglich als Resultat eines freien, im Ergebnis offenen Bürgerdialogs.“
Frieden: „Das Bündnis muß voll verteidigungsfähig, strikt defensiv und entspannungsbereit sein. Der politische Wille muß über die Militärtechnik herrschen, nicht umgekehrt. Friede ist eine politische, keine waffentechnische Aufgabe. Gemeinsame Sicherheit verlangt den Abbau von atomaren und konventionellen Drohpotentialen bis hin zur beiderseitigen strukturellen Angriffsunfähigkeit. Unser Ziel ist eine gesamteuropäische Friedensordnung auf der Grundlage gemeinsamer Sicherheit. Alle europäischen Staaten haben sich vertraglich zu verpflichten, die Prinzipien der Schlußakte von Helsinki zu verwirklichen.“
Arbeit: „Unserer Gesellschaft geht die Arbeit nicht aus. Es ist die Aufgbe eines demokratischen und sozialen Rechtsstaates, für Vollbeschäftigung zu sorgen. Arbeitslosigkeit ist kein individuelles, versicherbares Risiko auf Zeit, sondern ein gesellschaftlich verursachtes und damit politisch zu lösendes Problem. Steigerung der Produktivität verringert den Umfang notwendiger Erwerbsarbeit. Wir wollen diese Tendenz zur Verkürzung der Arbeitszeit nutzen, wobei kürzere Arbeitszeit nicht automatisch kürzere Maschinenlaufzeit bedeutet. Der Samstag soll nicht zum Regelarbeitstag, Sonntagsarbeit nur in zwingenden Ausnahmefällen zugelassen werden. Die Nachtarbeit wollen wir, weil sie gesundheitsschädlich ist, auf Ausnahmefälle beschränken.“
Ökologie: „Das ökologisch Schädliche muß teurer, das ökologisch Richtige ökonomisch vorteilhafter werden. Dazu dienen Abgaben und Steuern auf der einen, finanzielle Anreize auf der anderen Seite. Energie muß teurer werden. Wir brauchen, wie bisher, Gebote und Verbote, Grenzwerte und Genehmigungsvorbehalte. Wir brauchen darüber hinaus die Umweltverträglichkeitsprüfung, ein schärferes Umweltstrafrecht und ein neues Haftungsrecht, das auch die Beweislast umkehrt.“
Der Weg in die Zukunft: „Unser Zukunftsentwurf ist ein Angebot für ein Reformbündnis der alten und neuen sozialen Bewegungen. Der Kern dieses Bündnisses bleibt die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften. Es muß aber auch alle umfassen, die durch Erfahrungen in ihrem Alltag oder ihr Engagement in neuen sozialen Bewegungen von der Notwendigkeit tiefgreifender Reformen überzeugt wurden. Wir brauchen ein breites Reformbündnis mit möglichst vielen Gruppen und Kräften, weil wir den Widerstand derer zu überwinden haben, die alles zum Fortschritt erklären, was ihren Gewinnerwartungen, ihrer wirtschaftlichen oder politischen Macht zugute kommt. Gegen die Übermacht der Wenigen hilft nur der gemeinsame Wille der Vielen und die Aufklärung darüber, wie Sonderinteressen das Gemeinwwohl verletzen.
Wir versprechen nicht das Paradies auf Erden. Aber gemeinsam können wir Gefahren abwehren, Risiken mindern und eine neue, bessere Ordnung erreichen.“
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