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Bewährungsstrafe für Zivilcourage

Der Hinweis an die 'Emma'-Redaktion über eine eventuelle polizeiliche Überwachung brachte der Altenpflegerin Maria Lichtenhagen sechs Monate Haft auf Bewährung ein  ■  Aus Köln Gitti Hentschel

Mit einem Strauß Blumen im Arm, dem Geschenk einer Gruppe von Prozeßbeobachterinnen, kam sie am Donnerstag in den Gerichtssaal gehumpelt. Dann wurde sie vom Amtsgericht Köln zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt, weil sie, so der Amtsrichter, versucht hatte, die Verfolgung einer Straftat zu vereiteln. Die Angeklagte ist die 39jährige Maria Lichtenhagen, Altenbetreuerin, zur Zeit krankgeschrieben, durch ein Beinleiden behindert, ohne feste Stelle. Sie hatte im Februar 1987 bei der Frauenzeitschrift 'Emma‘ angerufen, um die Redaktion oder eine Ingrid „Ströbel“ vor polizeilicher Überwachung und Gefahr zu warnen. Bei der gegenwärtig vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf wegen „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ angeklagten Journalistin Ingrid Strobl hatten während einer Hausdurchsuchung Polizeibeamte einen Vermerk über Telefongespräche zwischen Frau Lichtenhagen und 'Emma' -Redakteurin Cornelia Filter gefunden.

Damals lebte die Altenbetreuerin mit einem 54jährigen Polizeihauptmeister zusammen, der beim „14.K.“ der Kölner Polizei arbeitete, wo man sich speziell um „Terrorismus“ kümmert. Wiederholt stockend, aber klar und überzeugend, erzählt Maria Lichtenhagen, wie sie in einem Telefongespräch mit ihrem Freund im Hintergrund dessen Kollegen gehört habe. Dabei hätten ein Anschlag und ein Wecker eine Rolle gespielt. Für Frau Lichtenhagen entscheidend war, daß es um die 'Emma'-Redaktion und eine „Ingrid“ ging und das Wort „Scheiß-Emanzen“ fiel. Daraus habe sie geschlossen, daß die Beamten des 14.K. „den 'Emma'-Frauen eins auswischen wollten“. Da sie die Beamten kannte, habe sie ihnen „alles zugetraut“. „Für uns“, habe zum Beispiel mal ein Vorgesetzer der Gruppe gesagt, „zählen Einzelschicksale nicht.“ Sie habe einmal in einer Kneipe eine Ingrid kennengelernt, die ihrer Meinung nach bei 'Emma‘ arbeitete. Sie sei, davon zeigte sich Frau Lichtenhagen überzeugt, „ein ganz lieber Mensch, zu keiner Straftat fähig“. Deshalb, und als begeisterte 'Emma'-Leserin, habe sie die 'Emma'-Redaktion angerufen und gewarnt. Erst später habe sie festgestellt, daß die ihr bekannte Ingrid und die frühere 'Emma'-Redakteurin Strobl nicht identisch seien.

Als Amtsrichter Neu ihr mit ironischem Ton vorhält: „Wenn diese Ingrid so sensibel ist, müßte sie sich doch eigentlich melden, um Ihnen zu helfen“, da bricht es aus Frau Lichtenhagen heraus: „Damit es ihr so geht wie mir? Daß sie gewürgt und zu Boden geschmissen wird?“ Teilweise weinend berichtet sie dann, wie sie nachts mit Fieber von der Polizei aus dem Bett gezerrt und zur Vernehmung nach Karlsruhe gebracht wurde. Als ein Beamter ihr die Leine ihres Hundes aus der Hand riß, sei sie, die damals auf zwei Krücken gehen mußte, hingefallen. Ein herbeigerufener Sanitäter habe sich auf sie gestürzt und sie gewürgt - „und die Polizeibeamten haben einfach zugesehen“. Obwohl der Sanitäter sich später bei ihr schriftlich entschuldigt hat, hat der Vorfall für die Beamten keine Konsequenzen gehabt. Frau Lichtenhagen leidet noch heute unter den Folgen.

In seinem Plädoyer hebt der Staatsanwalt mit besonderer Empörung und als strafverschärfend hervor, daß sie durch ihre Warnung an 'Emma‘ das Vertrauen ihres Lebensgefährten mißbraucht und ihn „in Teufels Küche gebracht“ habe tatsächlich wurde der Beamte deshalb vorzeitig pensioniert. Darauf geht auch der Richter im Urteil als „dickes Ding“ besonders ein.

Vergeblich führt Verteidiger Gatzweiler in seinem Plädoyer aus, daß Frau Lichtenhagen von der Unschuld der von ihr gewarnten Ingrid überzeugt gewesen sei und daher nicht „wissentlich“ eine Strafvereitelung versucht habe. Doch insbesondere könne sie deshalb nicht verurteilt werden, weil die „Vortat“, deren Verfolgung sie angeblich vereiteln wollte, gar nicht feststeht. Und: „Stellen Sie sich vor, Frau Strobl wird freigesprochen, und Sie haben Frau Lichtenhagen verurteilt.“ Argumente, die das Gericht nicht einsehen wollte. Im Gegenteil. Ein Freispruch bei der „Vortat“, so der Amtsrichter, könne ja auch ein Beweis dafür sein, wie erfolgreich die Strafvereitelung war. Als er zur Begründung der Gefängnisstrafe sagt, daß eine niedrigere Strafe befürchten ließe, daß Sie Ähnliches wieder tun“, nickt die Angeklagte. zustimmend. Denn auch jetzt kann sie nichts Unrechtes an dem finden, was sie getan hat. Eine Frau mit Zivilcourage.

Maria Lichtenhagen kann nur Berufung gegen das Urteil einlegen, wenn sie dafür genügend finanzielle Unterstützung findet.

Spendenkonto: Postgiroamt Köln, Konto Nummer 11 605-506 'Emma'-Verlag, Spendenkonto Maria Lichtenhagen.

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