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Mit dem Laser gegen Langeweile

■ Sportschützen versuchen, fürs Publikum attraktiv zu werden / Ohne Medieninteresse gibt's kein Geld

Nirgendwo im Sport geht es mehr ohne „die Medien“, ohne die elektronischen schon gar nicht. Wahrscheinlich wird der Deutsche Schützenbund Sylvia Sperber deshalb noch ein Denkmal setzen. Als die Schützin aus Pentzing der Nation die erste Goldmedaille von Seoul bescherte, Tränen zum Deutschlandlied inklusive, hatten die Schützen endlich das öffentliche Interesse, das heute notwendig ist.

Bei den Schützen hatte man sich schon vor einiger Zeit entschlossen den neuen Anforderungen gebeugt und den Wettkampf grundlegend geändert. Wurden früher die Sieger im Laufe eines zerdehnten, mehrstündigen Wettkampfes ermittelt, so ist seit Seoul ein Finale hinzugekommen. Was zuvor der gesamte Wettkampf war, etwa 40 Schüsse in 75 Minuten mit dem Luftgewehr, ist heute nurmehr Vorentscheidung.

Im Finale der acht Besten müssen weitere zehn Schüsse abgegeben werden, jeweils 75 Sekunden Zeit zur Konzentration stehen dabei zur Verfügung. Den Zuschauern wird damit ein nachvollziehbarer, zeitlich gebündelter Wettkampf geliefert. So bekommt dieser ansonsten statische Sport eine Dramatik, die ihn fürs Publikum attraktiv machen soll.

Auch andere Verhaltensnormen werden deshalb toleriert. War früher jede Reaktion der Zuschauer verpönt, so gilt heute die Maxime: Der Schießstand ist keine Kirche! Heute müssen die Sportler sogar mit profanen Anfeuerungsrufen fertig werden.

Und weil der Kunde König ist, wurden beim „5.Internationalen Saisonauftakt der Schützen“ in Dortmund auch technische Hilfsmittel eingesetzt, um den Zuschauern den Ablauf des Finales transparent zu machen. Videokameras übertrugen das Bild der beim Luftgewehrkampf nur wenige Zentimeter messenden Zielscheiben auf Monitore. Die Scheiben wurden mit einem Lasergerät abgetastet, die Ergebnisse auf Dezimalstellen genau dem Publikum sofort auf einem Monitor präsentiert.

Die Schützen arbeiten also heftig, daß Schießen nicht nur ein Sport für Aktive bleibt (als immerhin viertgrößter Verband im DSV), sondern auch zum Zuschauersport wird. Dabei ist sicherlich in Richtung Werbung und Sponsoring geschielt. Die Publikumsfreundlichkeit ist aber auch ein Präventivschlag gegen die drohende Verbannung aus dem olympischen Programm. Denn was bei den Leuten nicht ankommt, was auf dem Bildschirm nicht wirkt, hat mittelfristig bei Olympia keine Chance mehr.

Überhaupt haben sich die Leistungsschützen auf den olympischen Vierjahresrhythmus eingestellt. Während bei Europa- und Weltmeisterschaften die UdSSR den Großteil der Medaillen einstecken darf, liegt, siehe Seoul, der Leistungshöhepunkt bundesrepublikanischer Schützen bei der Olympiade. Denn dort ballt sich das Medieninteresse. Und sind Ergebnisse und Resonanz positiv, sind öffentliche Gelder für die nächsten Jahre sicher.

Im nacholympischen 1989 dürfen die Schützen dann, das verspricht jedenfalls ihr psychologischer Betreuer Heinz Reinkemeier, auch mal liegengebliebene Prüfungen nachholen oder ihr Privatleben flicken.

Christoph Biermann

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