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Zollfahndung gegen Atomexporte

■ Ermittlungsverfahren gegen über siebzig deutsche Firmen / Atom-Geschäfte mit Pakistan Siemens, Leybold-Heraeus, Degussa: Alle wieder dabei / Hanauer Staatsanwaltschaft gab Anstoß

Hanau/Hamburg (ap) - Die Zollfahndung ermittelt nach einem Bericht des Hamburger Magazins 'Stern‘ gegen mehr als 70 deutsche Firmen wegen des Verdachts einer Lieferung atomwaffenfähigen Materials nach Pakistan. Die Hanauer Staatsanwaltschaft bestätigte am Dienstag, daß sie bei einer Durchsuchung in der Frankfurter Filiale der Nationalbank von Pakistan „Erkenntnisse“ gewonnen und die Zollfahndung eingeschaltet habe.

Laut 'Stern‘ stehen die betroffenen Firmen im Verdacht, Pakistan illegal mit Geräten und Material zum Bau von Atombomben versorgt zu haben. Vom Spezialstahl über optische Geräte und Computer bis hin zu Tritium hätten deutsche Unternehmen „so ziemlich alles, was zum Bau der Bombe benötigt wird“, geliefert. Zum Teil hätten die Firmen aber „in gutem Glauben“ gehandelt. Auf der Liste der Fahnder stünden unter anderen der Elektrokonzern Siemens, die Anlagenbauer Leybold-Heraeus, die Chemiefirma Degussa, die Hanauer Vacuumschmelze und das Handelsunternehmen Karl Kolb GmbH in Dreieich.

Oberstaatsanwalt Klaus Schneider von der Hanauer Justiz bestätigte, daß seine Behörde den Anstoß zu den Ermittlungen gegeben hat. Nach entsprechenden Erkenntnissen bei einer Durchsuchung der pakistanischen Nationalbank in Frankfurt habe die Hanauer Staatsanwaltschaft die Zollfahndung der Oberfinanzdirektion Frankfurt eingeschaltet, sagte er auf Anfrage. Nach Informationen des 'Sterns‘ ist über die Nationalbank ein Teil der Geschäfte abgewickelt worden. Um den Endabnehmer zu verschleiern, hätten die pakistanischen Einkäufer gelegentlich Zwischenstationen eingeschaltet, etwa Käufer oder Montagefabriken in Frankreich und Dubai.

Deutsche Behörden, allen voran das Bundeswirtschaftsministerium, sollen laut 'Stern‘ vom Bundesnachrichtendienst, dem amerikanischen Geheimdienst CIA, dem britischen und sogar dem sowjetischen Geheimdienst seit Jahren Hinweise auf den illegalen Handel erhalten haben. Sie hätten die zahlreichen Warnungen jedoch „systematisch ignoriert“. Standardargument sei dabei gewesen, daß die Ware nur für zivile Zwecke eingesetzt werde. Der Atomwaffensperrvertrag verpflichtet die Bundesrepublik, dafür zu sorgen, daß Technik, die zum Bau von Atombomben dient, nicht weiterverbreitet wird.

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