: SIMULIERTE SCHWULE
■ Das B.O.T.Z.-Theater spielt „Der eisige Regenbogen“
So einfach kann Geschichte, können Geschichten sein: Karl ist schwul und wurde deshalb von den Nazis gefoltert. In Hermann glaubt er irrtümlich seinen ehemaligen Peiniger wiederzuerkennen, er foltert ihn ebenfalls und tötet ihn fertig. Fazit: der Faschismus im allgemeinen und der des Homosexuellen im besonderen kann in knapp zwei Stunden soziologisch, theologisch und politisch plausibel gemacht werden. Denn erstens sehen wir, daß faschistisches Handeln aus nachvollziehbaren Gründen geschieht, zweitens erfahren wir, daß sich auch und vor allem der Homosexuelle schuldig macht, wo er seinen Nächsten nicht liebt, selbst wenn dieser doch ein Mann ist, und drittens lernen wir, daß der emanzipative Versuch, sich von faschistischer Herrschaft zu befreien, faschistisch ist. Klasse!
Theatralisch gesprochen: lammfromm hat das B.O.T.Z.-Theater zu einem scheinbar brisanten Stoff gegriffen, um sich dem Publikum billig als „engagierte“ Bühne anzudienen. Verbrochen hat das Stück Hans Falar, Schauspieler im Bremer Staatsensemble, dem wir zu seiner Verteidigung einmal unterstellen wollen, daß er schwul ist, also aus dem schlichten Prinzip blinden Betroffenseins gehandelt hat. Inszeniert wurde Der eisige Regenbogen von einer Frau, zu deren Verteidigung höchstens die Unterstellung gereicht, daß sie heterosexuell ist, mithin aus dem schlichten Prinzip ahnungsloser Betroffenheit gehandelt hat. Und gespielt werden die beiden Rollen von zwei unverkennbar heterosexuellen Macho-Mimen, die von ihren darstellerischen Qualitäten verteidigt werden: Wer so schlecht chargiert, kann es sich gar nicht erlauben, ein Engagement auszuschlagen, und handelt somit nach dem schlichtesten aller Prinzipien, dem der reinen Selbsterhaltung.
Das Thema des Abends heißt „schreiendes Unrecht“ und die einzige Regieanweisung offenbar auch. Der heterosexuelle Schwulendarsteller Uwe Aniol fuchtelt und brüllt sich mit grober Als-Ob-Gestik durch den dünnen Einakter und zeigt bereitwillig, wie schön das ist: laut und deutlich schau -spielen. Günter Rüdiger als vermeintlicher Nazi-Metzger verknackst sich gleich zu Anfang den Fuß und schleppt sich bis zum Ende des Stücks wie ein Hiroshimaopfer über die Bretter. Oh, feine Logik der Regie. Und wenn schließlich mit viel Liebe zum Detail und zum Geschrei ausgiebig auf der Bühne gefoltert wird, der schwule Rächer seinem Irrtumsopfer die Faust auch in den Arsch rammt, der arme Nazi-Hermann aber dabei noch seine Hosen anhat, dann erkennt man, wie verklemmt und verlogen das ganze Unterfangen ist, wie effektsüchtige, heterosexuelle Regie- und Spielobsessionen als simulierte Schwulenauthentizität ausgegeben werden sollen.
Vor allem habe sie auch interessiert, erklärt mir anschließend die Regisseurin Maria Luise Preuß, wie das neutestamentarische Doppelgebot der Liebe mißachtet werde: statt der Vergebung, Rache, statt der Versöhnung, Feindschaft. In der Tat hochinteressant, den schwulen Opfern des Faschismus noch einmal eins mit der Bibel überzubrennen. Ob sie denn bei ihren dramaturgischen Vorarbeiten in Erwägung gezogen habe, die Rollen mit schwulen Schauspielern zu besetzen, wollte ich wissen, ein Kichern war die Antwort: So genau habe sie ihre Darsteller danach gar nicht gefragt, sie nehme aber an, daß beide Heteros seien, immerhin wohnten beide mit einem Mädchen zusammen. Außerdem wolle sie nicht, daß das Publikum möglicherweise auf einen echten Schwulen mit dem Finger zeigen würde. Diese hochengagiert mutige Voraussetzung aufklärerischer Theaterarbeit kann ich nur unterstützen: Ich wünsche mir als nächstes vom B.O.T.Z. -Theater eine Problem-Halluzination aus dem exotischen Land des Rassismus. Mögliche Farbige könnten von Uwe Aniol und Günter Rüdiger dargestellt werden. Damit keiner mit die Finger auf die Neger zeigt.
Rainer Maria Bilka.
Der eisige Regenbogen bis zum 2. April, Do-Mo um 20 Uhr im Theater in der Fabrik Osloer Straße.
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