: Keine Reiseakademie
■ Noch keine Entscheidung in Sachen Schließung der Akademie der Wissenschaften / Drei Modelle stehen zur Auswahl
Die Schließung der Akademie der Wissenschaften durch den rot -grünen Senat, die in den letzten Tagen die Gemüter erhitzt hatte, ist noch in der Schwebe. Wie die neue Wissenschaftssenatorin, Barbara Riedmüller-Seel, gestern vor der Presse erläuterte, soll bis spätestens Juni geprüft werden, welches Modell für eine Weiterführung der interdisziplinären Forschung das beste ist. „Wir wollen keine Reisegesellschaft, sondern ein Arbeitsprogramm fördern“, sagte Riedmüller-Seel in Anspielung darauf, daß die Mitglieder des elitären Think-Tank nur 20 Tage im Jahr zu ihren Sitzungen zusammentreten. Auf keinen Fall sollten interessante Forschungsprojekte, die bereits bestehen, „zerstört“ werden.
In einer Diskussion mit dem Akademie-Präsidenten Albach und dem neuen Staatssekretär in der Wissenschaftsverwaltung, Kremendahl (SPD), seien am Dienstag verschiedene Organisationsformen erörtert worden. Zur Diskussion stehen demnach jetzt drei Modelle.
Erstens: Die Institution wird in eine Akademie „neuen Typs“ verwandelt, die eng an die Hochschulen angebunden wird und pluralistisch zusammengesetzt ist. Modell zwei wäre das, was schon die Koalitionspartner ausgehandelt hatten: Die Verzahnung der Arbeitsgruppen, die in der bisherigen Akademie tätig geworden sind, mit der Universität oder mit außeruniversitären Einrichtungen. Riedmüller-Seel („Die Koalitionsvereinbarung ist schließlich keine Bibel“) brachte noch eine dritte Variante ins Spiel: die Schaffung einer neuen Einrichtung als Zentrum für einen wissenschaftlichen Ost-West-Austausch, für Nachwuchsförderung und interdisziplinäre Technikfolgen-Abschätzung.
Im Zusammenhang mit dem im Vorfeld bereits strittigen Thema „Forschungsförderung“ schickte die Senatorin wiederholt eine Botschaft der Beruhigung an die Adresse der Industrie. Die neue Politik sei keinesfalls forschungsfeindlich. Dennoch werde es eine Akzentverschiebung in Richtung Frauenforschung, Umweltforschung und Faschismusforschung geben.
Ebenfalls noch bis zur Sommerpause soll der Entwurf für ein neues Hochschulgesetz vorgelegt werden. Zur Ausarbeitung des Gesetzeswerkes will Riedmüller-Seel eine „offene Vorbereitungskommission“ unter der Beteiligung von Hochschulangehörigen einsetzen.
Jährlich zusätzliche 80 Millionen Mark aus Landesmitteln will der rot-grüne Senat ab 1990 für die Verbesserung von Studium und Lehre investieren. Da das bundesweite Überlastprogramm nicht ausreiche, müßten in einem Nachtragshaushalt für 1989 Sondermittel zur Verfügung gestellt werden. So schnell wie möglich müsse ein Frauenförderungsprogramm beschlossen werden, forderte Riedmüller-Seel.
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