: „218-Fragebogen ist rechtswidrig“
Im Neuwieder Ermittlungsverfahren wegen Kassenbetrugs gegen Patientinnen eingesetzte 218-Fragebogen als „rechtswidrig“ eingestuft / Rechtsanwältin: Aussagen nicht verwertbar ■ Von Fabian Fauch
Mainz (taz) - Im Neuwieder Ermittlungsverfahren wegen Krankenkassenbetrugs und Paragraph218 verstießen Ermittler gegen die Strafprozeßordnung (StPO). Zu diesem Ergebnis kommt die Rechtsanwältin Claudia Burgsmüller. Die Mainzer Grünen hatten der Anwältin zur juristischen Bewertung den Fragebogen vorgelegt, mit dem Ermittler Zeuginnen vernahmen (siehe taz von gestern). Der Fragebogen enthalte teils rechtswidrige, teils suggestive Fragen und verstoße in Einzelpunkten gar gegen das Grundgesetz.
Die Antwort der Rechtsanwältin geht noch weiter: „Ermittler verletzten ihre Dienstpflicht. Aufgrund des unzulässigen Fragebogens sind die Aussagen der Zeuginnen nicht verwertbar. Das Verfahren müßte eingestellt werden.“ Die polizeilichen Ermittlungsmethoden in Neuwied und Koblenz würden die Tragweite des Paragraphen 218 verkennen. Die Juristin hält disziplinarische Überprüfungen durch den Dienstvorgesezten der Ermittler, den Mainzer Justizminister Peter Caesar (FDP), für angebracht.
Die Ermittler verstießen, so Claudia Burgsmüller, mit dem Fragebogen gegen Paragraph 160, Absatz 2 der StPO: Die Staatsanwaltschaft hat danach „nicht nur die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln.“ Der Fragebogen sei aber keineswegs neutral; er ziele vielmehr darauf ab, dem verdächtigten Arzt illegale Abtreibung nachzuweisen und „aus Zeuginnen Beschuldigte zu machen“. Claudia Burgsmüller moniert weiterhin, daß Zeuginnen zwar auf ihr Recht hingewiesen wurden, die Aussage zu belastenden Fragen zu verweigern. Zugleich aber übten die Ermittler in Fällen, die der taz bekannt wurden, Druck auf die Frauen aus: Wenn sie nicht antworteten, gehe man von einem illegalen Schwangerschaftsabbruch aus und weitere Verhöre stünden bevor. Außerdem, so die Juristin, seien manche Fragen glattweg unzulässig im Sinne des Paragraphen 68a StPO: Fragen, die der Zeugin „zur Unehre gereichen können oder ihren persönlichen Lebensbereich betreffen“, dürfen nur gestellt werden, „wenn es unerläßlich ist“ und der „Wahrheitsfindung“ dient. Welcher Wahrheitsfindung aber dient die Frage: „Würde die Zeugin noch einmal abtreiben?“
Noch einen weiteren Verstoß vermutet die Anwältin: daß nämlich Zeuginnen gar nicht oder nur unzureichend über die „Zeugnisverweigerung aus persönlichen Gründen“ (Paragraph 52 StPO) belehrt wurden. Etwa über das Recht, die Aussage bei Fragen zu verweigern, die den Ehemann, den Verlobten oder Verwandte betreffen.
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