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Was die Ex-Besetzer meinen

■ Menschen aus ehemals besetzten, jetzt legalisierten Häusern zur jüngsten Wohnungs-„Selbstbedienungsaktion“ / Manche haben damit „gar nichts mehr zu tun“

Eine Umfrage der taz unter den BewohnerInnen der 1980/81 besetzten und inzwischen legalisierten Häuser zu jüngsten Besetzungen und Räumungen in Kreuzberg zeitigte ein mageres Ergebnis: Von den wenigen Leuten, die Gründonnerstag und Karfreitag erreichbar waren, weigerte sich gut ein Drittel, eine Stellungnahme abzugeben. Die Begründungen reichten von „Kein Bock“ über „Einzelpersonen sind bei uns nicht aussageberechtigt“ bis zum „Dazu kann ich überhaupt nichts sagen, damit habe ich gar nichts zu tun“. Hätte diese Einstellung in linken Kreisen schon vor acht Jahren vorgeherrscht, dann wären die Damen und Herren Ex-Besetzer heute ganz bestimmt nicht mehr in ihren Häusern drin.

Aber es gab auch andere Stimmen. Ein 37jähriger Bewohner der Eisenacherstraße 103 sagte, er sei „ziemlich überrascht gewesen, daß es überhaupt noch zu besetzende Häuser gibt“. Daß leerstehende Spekulationsobjekte wie die Nostizstraße besetzt würden, sei „absolut richtig“. „Eher zwiespältig“ sei seine Meinung, wenn Häuser, die gerade modernisiert würden, besetzt werden, weil auf die Wohnungen schon dringend andere Leute warteten. Ein 30jähriger Bewohner der Oranienstraße 45 hält Besetzungen „für voll gerechtfertigt“ da, wo „eindeutiger Leerstand ist und die Leute klar Wohnraum suchen und brauchen“. Ein 35jähriger Bewohner desselben Hauses hatte von der „Ferne“ den Eindruck, daß die Besetzer der AL ein bißchen auf der Nase rumtanzen wollten, um zu sehen, wie sie reagiert. Eine 30jährige Bewohnerin der Naunynstraße 77 hält die Räumungen für eine „absolute Schweinerei“. Aufgrund der argen Wohnungsnot sei es total in Ordnung, auch in Sanierungsverfahren befindliche Häuser zu besetzen, wenn diese ewig lange leerstünden: „In eine Wohung, die ein halbes Jahr leersteht, da können doch auch Leute einziehen.“ Ein 34jähriger Bewohner der Potsdamerstraße 130 ließ verlauten, daß „Häuser, die leerstehen, besetzt gehören“, was allerdings nicht für einen Sanierungsleerstand gelte: „Dann kann man auch ein leeres Auto besetzen, weil es gerade keiner fährt. Aus der Willibald-Alexis-Straße 34 teilte ein 31jähriger Bewohner seine Freude über die Besetzungen, insbesondere die in der Nostizstraße, mit. Sie seien bei einem Leerstand nur dann nicht angebracht, wenn die Sanierungskonzepte von den Bewohnern mitgetragen würden. Die Räumungen wertete er als „Schwächezeichen“ des neuen Senats. Eine 29jährige Bewohnerin vom Fränkelufer 40 sagte, sie teile in puncto Besetzungen und Räumungen „in großen Zügen die Auffassung der AL“. Einem 41jähriger Bewohner der Manteuffelstraße 40 zufolge „müssen Hausbesetzungen hier so selbstverständlich werden wie in Holland und England“.

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