Prominenten-Appell für Zusammenlegung

Menschen aus Kirche und Gesellschaft wollen lähmenden Stillstand beim RAF-Hungerstreik überwinden / Zusammenlegung in „größeren Gruppen“ gefordert  ■  Von Gerd Rosenkranz

Berlin (taz) - Das bleierne Schweigen um den seit über sieben Wochen andauernden Hungerstreik der Gefangenen der RAF und anderer militanter Gruppen hat vor den Osterfeiertagen prominente Persönlichkeiten der Kirche und des öffentlichen Lebens auf den Plan gerufen. In einem „Osterappell 1989“ rufen neben anderen der Westberliner Altbischof Kurt Scharf, der Berliner Ex-Bürgermeister Pfarrer Heinrich Albertz und die Theologie-Professorin Dorothee Sölle die verantwortlichen Politiker in Bund und Ländern auf, „nicht länger auf den besonderen Haftbedingungen für die RAF-Gefangenen zu beharren und durch eine Zusammenlegung in größeren Gruppen die Voraussetzungen für Gespräche und Diskussionen unter den Gefangenen der RAF und Menschen von außen zu schaffen“. An die Gefangenen wird appelliert, ihre „Haltung des alles oder nichts aufzugeben und die Bereitschaft zur Diskussion auch in der praktischen Umsetzung zu unterstützen“.

Der Aufruf geht auf die Initiative einer Gruppe von Einzelpersonen zurück, die sich seit langem darum bemühen, die eisernen Fronten zwischen den RAF-Gefangenen und dem Staatsapparat aufzuweichen. Zu den UnterzeichnerInnen gehören die Angehörigen des 1986 von einem Kommando der RAF ermordeten Gerold von Braunmühl, Ren'e Böll, der Sohn Heinrich Bölls, die Sprecherin der Bundestagsfraktion der Grünen, Antje Vollmer, der frühere Sprecher des grünen Bundesvorstandes, Lukas Beckmann sowie die Professoren Karl Bonhoeffer, Ulrich K. Preuss und Dieter Georgi.

Die Initiatoren des „Osterappells“ verstehen sich offenbar als potentielle Vermittler in dem Hungerstreik, in dem zwei Gefangene, - Christa Eckes und Karl-Heinz Dellwo - seit über sieben Wochen die Nahrungsaufnahme verweigern. Die Inhaftierten fordern die Entlassung haftunfähiger Gefangener, die Zusammenlegung in ein oder zwei große Gruppen und die „freie politische Information und Kommunikation mit allen gesellschaftlichen Gruppen“.

Antje Vollmer betonte gestern, daß es nur durch eine vermittelnde Instanz noch möglich sein werde, Tote zu verhindern. Die Behörden hätten über Wochen die „existentielle Entschlossenheit“ der Hungerstreikenden nicht ernst genommen.

Wie Antje Vollmer forderten auch Kurt Scharf und Heinrich Albertz insbesondere Berlins Regierenden Bürgermeister Walter Momper auf, Bewegung in die festgefahrenen Fronten zu bringen. In einem Brief an den Chef des rot-grünen Senats schreibt der Altbischof, einzelne Gefangene seien „akut lebensgefährdet“. Wenn man nicht bewußt ihren Tod in Kauf nehmen wolle, blieben nur noch wenige Tage Zeit zum Handeln.

Die SPD-regierten Länder bestehen nach Informationen der taz nach wie vor darauf, ein Angebot an die Gefangenen nur gemeinsam mit den CDU/CSU-Ländern zu unterbreiten. Dazu erklärte gestern die AL-Abgeordnete Renate Künast, ein Gesamtvorschlag unter Beteiligung aller Länder sei zwar wünschenswert. Man könne jedoch damit nicht warten, bis „die Sanduhr abgelaufen ist“. Spätestens Anfang nächster Woche müsse auf jeden Fall ein „eigener Vorschlag“ auf dem Tisch liegen, der eine Gesamtlösung beinhalte. Zur Not müßten die SPD-regierten Länder oder der Berliner Senat den Vorschlag allein unterbreiten. Dokumentation des Appells und

Bericht zum Hungerstreiks Seite 5