: Höhepunkt der Verachtung-betr.: "Gewaltverherrlichende Pornografie", taz vom 11.3.89
betr.: „Gewaltverherrlichende Pornographie“,
taz vom 11.3.89
So einfach sind die Parallelen zwischen Kreuzigungsdarstellungen und Pornographie nun doch nicht.
Der wesentliche Unterschied, den die PorNo-Debatte herausarbeitete, wird übergangen. Hier werden Lust-Objekte, Frauenkörper oder Teile davon abgebildet. Von Männern für Männer. Eine Projektion von gemeinster Erniedrigung und Entmenschlichung eines Geschlechts zum morbiden Lustgewinn des herrschenden Geschlechts. Eine Spitzenleistung von verklemmter Sexualität und Ängsten. Ein Höhepunkt der Verachtung.
Dagegen haben die Kreuzigungsszenen ursprünglich einen anderen Inhalt. Natürlich wurden und werden auch hier gewaltverherrlichende Werke geschaffen. Die Gestalt Christus kann aber nicht ohne Geschichte, ohne Auferstehung gedacht und betrachtet werden, wenn es um die grundlegende Bildaussage geht. Die Bilderwelt des späten Mittelalters bis zum Barock ist zudem auch aus ihrer Zeit heraus zu verstehen. Diese ermöglichte es erstmals den (im christlichen Sinn) „Erlöser“ auf so schmähliche Art und Weise, so erniedrigt und von Schmerz gepeinigt zu zeigen. Eine jahrhundertelang dauernde Entwicklung in der Tafelmalerei, die zunächst nur „den Sieger“, den „gottähnlichen Christus“ kannte.
Ganz anders dagegen zum Beispiel Scorseses „Versuchung Christi„; ein Film, der noch immer die sadomasochistische Methode für irrgeleitete religiöse Wahnvorstellungen verwendet.
Es ist ein Unterschied, ob eine Persönlichkeit mit bekannter Geschichte dargestellt wird, oder irgendein Funktionsobjekt bei dem Brustumfang, Bauchdurchmesser etc. zählt. Entseelter Körper pur.
Es geht nicht darum, die Kirchengeschichte im allgemeinen und deren Bilder im speziellen einer Kritik der Gewaltanwendung und deren Verherrlichung zu entziehen. Anfänge und Grundlagen der Leidmystifizierung bei folgendem Lustgewinn sind hier tief verwurzelt. Aber um wieviel brutaler zeigt sich die heutige Pornographie im Zeitalter der Massenmedien.
Beides (aber in veränderten Gewichtsanteilen) zeigt die Notwendigkeit, daß Frauen endlich aktiv in Kunst- und Geistesgeschichte eingreifen müssen, nicht zuletzt um die patriarchale Dominanz von Macht und Gewalt zu stürzen.
F.Brandtner, Heidelberg
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