: Nordirische Polizei tappt im dunkeln
Zur Begründung der Morde bedient sich die IRA der gleichen Sprache wie die Polizei bei Erschießungen von IRA-Leuten / Unklar, warum die getöteten Polizeioffiziere ihre Route verließen ■ Aus Jonesboro Ralf Sotschek
Auch eine Woche nach dem Mord an zwei ihrer Beamten tappt die nordirische Polizei (RUC) über die Tatumstände noch völlig im dunkeln. Vorgestern führte die RUC nochmals stundenlang forensische Untersuchungen an der nur 300 Meter von der inneririschen Grenze entfernten Edenappa Road bei Jonesboro durch, wo die „Irisch-Republikanische Armee (IRA)“ am Montag vergangener Woche die beiden Polizisten erschossen hatte.
Harry Breen (51) und Bob Buchanan (55) waren die höchsten Polizeibeamten, die in dem nunmehr 20 Jahre dauernden Krieg in Nordirland von der IRA getötet worden waren. Breen war entscheidend an den Vorbereitungen einer Aktion der britischen Sondereinsatztruppe SAS beteiligt gewesen, bei der vor zwei Jahren acht IRA-Männer erschossen wurden.
Die IRA-Presseerklärung, die in der letzten Woche erst zwei Tage nach der Tat veröffentlicht wurde, war genau so formuliert wie die üblichen RUC-Verlautbarungen nach Erschießungen von IRA-Mitgliedern. Die beiden Beamten seien in eine IRA-Straßenkontrolle geraten und hätten sich verdächtig benommen. Sie seien sodann als „Kräfte der Krone“ identifiziert worden. „Die IRA-Einheit glaubte ihr Leben in Gefahr und ergriff präventive Maßnahmen, um die Flucht der Polizisten zu verhindern“, heißt es in der IRA-Erklärung weiter.
Ein Sprecher des Untersuchungsausschusses aus RUC und britischer Armee bezweifelt jedoch die Darstellung der IRA, weil bisher keine Zeugen gefunden wurden, die eine IRA -Straßensperre auf der stark befahrenen Edenappa Road bestätigen konnten. Der Sprecher sagte am Wochenende, daß die beiden RUC-Beamten möglicherweise schon in der südirischen Stadt Dundalk beobachtet worden wären, wo sie sich zu Beratungen über gemeinsame „Sicherheitsmaßnahmen“ mit der südirischen Polizei aufgehalten hatten. Beide Polizeikräfte wiesen die Vermutungen unionistischer Politiker zurück, daß ein IRA-Agent in der südirischen Polizei die Informationen weitergegeben hätte.
Unklar ist weiterhin, warum Breen und Buchanan die Hauptstraße von Dundalk nach Newry verlassen haben und statt dessen auf die weitaus gefährlichere Nebenstraße über Jonesboro ausgewichen waren. Schließlich werden Polizeireviere und Armeekasernen in diesem Gebiet normalerweise durch Hubschrauber versorgt, weil die unübersichtlichen Landstraßen von der IRA beherrscht werden. Ebenfalls ungeklärt ist, welche Dokumente die IRA von den beiden RUC-Beamten erbeutet hat. Wegen des hohen Ranges der beiden ist es jedoch wahrscheinlich, daß sie wichtige Aufzeichnungen bei sich hatten.
Bei einer der zahlreichen offiziellen und inoffiziellen Gedenkfeiern für die Toten des Osteraufstandes von 1916 trat am Sonntag im nordirischen Crossmaglen ein maskierter IRA -Mann auf und erklärte, die erbeuteten Dokumente gäben Aufschluß über die Pläne der RUC und belegten das „ganze Ausmaß der Kollaboration der südirischen Sicherheitskräfte“. Siehe auch Seite 10
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