: „EG nutzt Euromultis“
Republikaner-Chef Franz Schönhuber über deutsche Außenpolitik, Europapolitik und Aussiedler ■ I N T E R V I E W
taz: Herr Lummer sieht in der Gretchenfrage Europa den tiefsten Graben zwischen Republikanern und C-Parteien. Sie selbst berufen sich auf Herder: „Völker sind Gedanken Gottes“ und lehnen die europäische Einigung ab. Wie würde eine von den Republikanern mitgestaltete Europapolitik aussehen?
Schönhuber: Unsere Generalaussage lautet „Europa ja, aber diese EG nein“. Das heißt ja wohl nicht, daß wir gegen Europa sind, sondern gegen die organisatorische Ausstattung dieses Europas. Da haben wir ganz klare Vorbehalte: Was unsere Geschichte angeht, so würde erstens diese EG die deutsche Teilung zementieren. Für uns hat die Wiedervereinigung Vorrang vor der EG. Zweitens: In der Frage der Ökologie und Umwelt wird man sich in der EG auf dem niedrigsten Niveau, dementsprechend für unser Land schlechtesten Niveau, des Umweltschutzes einigen...
Das befürchten die Grünen auch...
Ja, da simmer nun komischerweise einer Meinung. Die EG wird sich an den sogenannten betonierten Stränden von Griechenland, Italien oder sonstwo orientieren, weil der Zielkonflikt Ökonomie - Ökologie immer zugunsten der Ökonomie ausgetragen wird. Drittens: Wir befürchten eine Verschlechterung der Verhältnisse der deutschen Arbeiter, Handwerker und Bauern, weil man den Industriestandort von Deutschland in Billigländer verlegen wird. Wem nützt die EG? Schlicht und einfach: den Euromultis. Die werden die größten Geschäfte des Jahrhunderts machen. Diese EG - und das ist ein weiterer Grund unserer Ablehnung - wird zur Vernichtung des mittelständischen Bauerntums, d.h. zur Vernichtung der Familienbetriebe in der Landwirtschaft führen.
Ein beträchtlicher Teil Ihrer Wählerstimmen geht gerade auf den Unmut über die angebliche „Bevorzugung“ von wohnungssuchenden Aussiedlern gegenüber hiesigen Anwärtern auf Sozialwohnungen zurück. Wie würden Sie denn nun die Aussiedlerfrage lösen? Befürworten Sie eher die Linie „Heim ins Reich“ oder sehen Sie im gegenwärtigen Bemühen der Koalition, die Wiederauflage einer autonomen deutschen Sowjetrepublik an der Wolga zu fördern, positive Ansätze?
Die CDU hat das ja erst aufgegriffen, nachdem ich's eingebracht habe! Man muß mit beiden Möglichkeiten arbeiten. Aussiedler, die kommen, denen muß man helfen. Aber sie werden in diesem kalten, unpersönlichen, gewinnmaximierenden Westen große Schwierigkeiten haben, wenn sie aus einer jahrhundertealten Umgebung herauskatapultiert werden. Ich plädiere darum für klare Auflagen bei der Gewährung von Krediten an den Ostblock, daß man sagt: Laßt den Deutschen ihr Heimatrecht. Das betrifft ja nicht nur die autonome Republik an der Wolga, sondern eine ganze Menge betroffener Gebiete. Im Odessagebiet gab es eine starke deutsche Kolonie, aber auch oben in den russischen Randstaaten. Ich hielte diese Möglichkeit für anständiger, als nur zu sagen: Wir sind brave Deutsche und nehmen alle Deutschen auf, die zu uns kommen. Das nutzt weder den Deutschen in der UdSSR oder sonstwo, noch tut es der Republik hier gut.
Interview: Otto Kallscheuer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen