: Interpretation gefragt
■ Kanzleräußerung zur Modernisierung läßt viel Spielraum
Genf (taz) - „Die wirkliche Entscheidung über die Produktion (neuer Kurzstreckenraketen, d.Red.) fällt 1991/92“, hatte Kohl im Februar zur in der Nato wie innerhalb der Bonner Koalition umstrittenen Frage der „Modernisierung“ erklärt. Mit dieser vielfach als Positionsänderung interpretierten Äußerung hatte der Kanzler lediglich den in der Pentagonplanung vorgesehenen Zeitpunkt der Serienreife der neuen Waffen beschrieben. Daß 1989 Entscheidungen über die Vergabe von Haushaltsmitteln für die weitere Entwicklung der neuen Waffen anstehen, die der US-Kongreß von einem wie auch immer formulierten positiven Votum der Nato beim Brüsseler Gipfel Ende Mai 89 abhängig macht, und wie die Regierung damit umgeht - dazu äußerte sich der Kanzler nicht, ließ Raum für Interpretationen.
Genschers Interpretation ist eindeutig, wie ein Sprecher des Auswärtigen Amtes gestern bekräftigte: kein „Modernisierungs„votum der Nato in diesem Jahr, „weder über Entwicklung noch über Produktion oder Stationierung der neuen Atomwaffen“. Daher seien auch Meldungen falsch, wonach sich die Nato auf einen Kompromiß geeinigt habe entlang der Linie, Votum für die weitere Entwicklung jetzt, Stationierungsentscheidung 1991/92. Das Dementi erfolgte „im Namen der Bundesregierung“. Was jetzt aussteht, ist eine Interpretation der Kohl-Äußerung durch ihn selbst.
Andreas Zumach
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