: Krötenliebe
■ Im Jahr der Schildkröte, ein Film von Ute Wieland versperrt die Leinwand für Besseres / Die Liebe kommt woanders
Zwei deutliche Gefühle streiten: da ist erst einmal die Müdigkeit, mundstarres Gähnen, hervorgerufen von der Dunkelheit im Kino und der Beleuchtung durch den wenig aufgeweckten Film auf der Flimmerwand und zum anderen gibt es den Hunger, das Bohren im hohlen Bauchraum - kommt von der taz, dem schmalen Salär und vor allem von der frühen Arbeitszeit, die das Frühstück noch weiter in den Morgen schiebt. Hunger schlägt Müdigkeit, verhindert, daß der Druck auf den Augen zur Kapitulation führt, sie bleiben auf bis zum bitteren Ende.
Der Film: Eine ziemlich dämliche Liebesgeschichte zwischen zwei grundverschiedenen Menschenschildkröten, einer alten, 61, verwitwet und männlich und einer jungen, 21, ledig und zuständig für das Bunte, und das heißt in dummer Realität und schlechten Filmen immer: weiblich. Sie sind ja so grundverschieden, die Generationen und jede hat etwas für sich. Die Jungen sind unverkrampft, zeigen ihre Emotionen, sie sind ein wenig versponnen, reden eine Menge Stuß von Wiedergeburt und Transformationismus und sind völlig chaotisch, kurz: die Jungen, die sind sehr charmant, aber leider machen auch sie etwas falsch, sie pumpen sich so ein unansehnliches weißes Pulver in die strapazierten Körper und ziehen sich notorisch viel zu dünn an,
weshalb sie gerne krank werden.Die Alten dagegen sind verklemmt, von Beruf Buchhalter aber arbeitslos, insgesamt rührend besorgt und irgendwie, so ganz insgeheim, ja auch knattersentimental. So wollen wir uns alle diejenigen vorstellen, von denen wir noch nie etwas verstanden haben (Das ist so bei den heute 31jährigen, davon verstehe ich etwas.), Fragmente von Klischees, aneinandergereiht, mit einem Schuß Augenzwinkern entschärft'aber auch nicht zurückgenommen'weil, die Welt wäre ja so schön, wenn es diese versöhnlerischen Gesten wirklich gäbe.
Da stoßen sie also aufeinander, legen ihre Schildkrötenpanzer in Form des Minirocks und der versabbschten Stöckelschuhe ab - nein, nicht was man jetzt denkt, sie schlüpfen in die weiche Haut eines Herrenschlafanzugs - und schon können sich die so fremden Gattungen finden.
Begleitet wird die spinnenbeindürre Geschichte von einer metaphorisch geladenen Schildkröte, die zuerst, wie der olle Buchhalter, glücklich in einem schön temperierten Aquarium ihre Gefängnisrunden dreht, um dann später, infiziert von der jugendlichen Freiheit, die an ihren Schattenseiten eingeht, aus dem Alltagstrott in die unwirtliche Freiheit der Nordsee entlassen zu werden.
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