: Wie man mordverdächtig wird
■ Polizei sucht einen Prostituiertenmörder: In Bremen-Nord waren Gegenstände vom Tatort in einem Schaufenster ausgestellt/ Polizei hoffte Hinweise auf den Täter zu finden / Neugierde macht tatverdächtig
Am 13. Januar wurde die dreißigjährige Prostituierte Petra Rothenhäuser in ihrem Blumenthaler Appartment ermordet. In ihrer Wohnung fand die Polizei verschiedene Gegenstände, die sie nicht dem
so „sachdienliche Hinweise“ über die Identität des Täter zu erlangen. Die Auslage war natürlich von Schaulustigen umlagert. Was diese Leute nicht wußten: Die Polizei fotografierte von einem geheimen Ort aus alle Personen, die die mutmaßlichen Tätermerkmale aufwiesen.
So bekam eines Tages Heinz Langer, der sich die Utensilien ebenfalls angesehen hatte, Besuch von der Kriminalpolizei, die ihn bat, für eine Unterredung mit aufs Kommissariat zu kommen. Was das bedeutete, hatten schon 32 andere Zeugen erlebt, die ähnlich neugierig oder hilfsbereit waren wie er. Am Tatort in Blumenthal hatte die Polizei zwar keine Finger -'aber gut erkennbare Handballenabdrücke gefunden. Genau die wurden ihnen abgenommen. Außerdem wurden sie befragt,
wo sie sich zur Tatzeit aufgehalten hätten. Heinz Langer verweigerte diese Prozedur und schaltete einen Rechtsanwalt ein. Er wollte nicht einsehen, daß seine Bereitschaft zur Mithilfe ihn nun zum Verdächtigen abstempelte. In dem Schriftwechsel zwischen Stadt-und Polizeiamt schrieb darauf ein Beamter:“ Wichtig wäre es zu erfahren, wie Herr Langer beweisen kann, daß er mit der Mordsache nicht in Verbindung gebracht werden kann.“ Mit dieser Formulierung war das Maß voll und Heinz Langer ging an die Öffentlichkeit.
So kam es am gestrigen Nachmittag zu einer Pressekonferenz, auf der Kriminaldirektor Möller Stellung zu dem Geschehen nahm. Er sprach von einer „normalen polizeilichen Maßnahme“, die schon in drei anderen Mordfällen zur Aufklärung geführt habe. Heinz Langer habe keinesfalls eine Erkennungsdienstliche Behandlung über sich ergehen lassen müssen, denn die schließe sowohl Photos als auch die Abnahme aller zehn Fingerabdrücke ein. Vielmehr habe es sich um eine Maßnahme im Rahmen des §
163b des Strafgesetzbuches gehandelt, der normiert, daß auch die Identität einer Person festgestellt werden dürfe, die nicht tatverdächtig sei. Den Satz aus dem Brief qualifizierte er als „mißverständlich“ und konstatierte, daß eine solche Form der polizeilichen Arbeit auch für ihn nicht akzeptabel wäre. Generalstaatsanwalt Jan Frischmuth hatte es am Mittag schon gesagt: Ein Bürger muß nicht seine Unschuld beweisen. Eine solche Beweislastumkehr entspricht nicht rechtsstaatlichen Prinzipien. FWF
Damit ist Heinz Langer aber nicht aus der Misere. Denn es besteht gegen ihn zwar „absolut kein Tatverdacht“, aber da er die Mitarbeit verweigere, müsse nun eine Etage höher ermittelt werden: Beim Arbeitgeber, um sein Alibi zu überprüfen, im Bekanntenkreis, um herauszufinden, ob er eventuell mit Prostituierten Umgang hat. Möller hält diese Maßnahme für ähnlichen Auslagen kein Gedrängel mehr geben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen