: Hortplätze geschaffen - auf dem Papier
■ Kinderhortgruppe in der Humboldtstraße nützt bislang nur der Behörden-Statistik / Behördengerangel um Villen-Räume blockiert Kita-Plätze / Kirche, Bildungs- und Sozialsenator mit Platzängsten
Was in Bremen lange währt, wird endlich - ein Provisorium. Schon vor über einem halben Jahr erhielten Bremer Eltern in Ostertor und Peterswerder eine gute Nachricht: Für ihre Kinder sollte es tatsächlich einen Platz im Kinderhort geben. Sozialsenator Henning Scherf kündigte an, in
den Räumen des Landesamts für Schulpraxis und Lehrerbildung (LASL) in der Humboldtstraße eine zusätzliche Hortgruppe und eine zusätzliche Planstelle für eine Betreuerin einzurichten. Allerdings: Scherfs Zusage war voreilig, der Sozialsenator hatte seine Rechnung ohne den Bil
dungssenator gemacht, der offiziell über das Gebäude des LASL verfügt und seinen dortigen Beamten den Verlust ihrer „Sozialräume“ plötzlich nicht mehr zumuten wollte oder nicht mehr zumuten konnte. Ergebnis: Bis heute existieren Hortgruppe und Erzieherin nur auf Behörden-Papier. Anwohner und Eltern protestierten, Stadtteilbeirat und Ortsamt protestierten - erfolglos.
Jetzt endlich mit halbjähriger Verspätung scheint Bewegung in die Angelegenheit zu kommen. Eltern erhielten in den letzten Tagen Behördenbriefe, ob sie nach wie vor Wert auf den versprochenen Hort-Platz legen, das LASL erhielt einen zweiten Eingang, damit die Bildungsbeamten nicht die gleiche Tür wie die Hort-Kinder benutzen müssen, im Souterrain wurden außerdem zwei Räume leergeräumt, ab 15. April sollen hier die ersten 10 Kinder betreut werden.
Gelöst ist das Problem damit allerdings nur scheinbar und vor allem vorläufig. Allein Angelika Koppelmeyer, Leiterin der Kita in der Gleimstraße und zuständig auch für die neue „Depandance LASL“, hat schon über 60 neue Bewerbungen um Hortplätze auf dem Schreibtisch und brütete zur Zeit, wem sie absagen soll. Auch
die beiden übrigen Viertel-Kitas in der Brokstraße und im Fehrfeld platzen aus allen Nähten.
Zur Lösung der drängendsten Hort-und Kita-Engpässe im Viertel hat sich die evangelische Friedensgemeinde in der Humboldtstraße angeboten. Bislang allerdings vergebens. Schon jetzt unterhält die Gemeinde zwei eigene Hortgruppen, allerdings unter Bedingungen, die der Gemeinde-Vorstand für ebenso untragbar hält wie Erzieherinnen und Eltern: Da eigene Räume nicht zur Verfügung stehen, spielen die Kinder im Gemeindesaal. Seit langem sucht die Kirche ein neues, geeigneteres Quartier in der Nähe. Wenn es nicht gefunden wird, will die Kirche die beiden Hortgruppen sogar schließen und notgedrungen die Kita- und Hort-Platz-Nöte im Viertel zusätzlich verschärfen. Auch der Kirchengemeinde hat Bildungssenator Franke in der Vergangenheit Hoffnungen auf ein neues Gebäude in direkter Nachbarschaft gemacht. Es ist
-schon wieder das LASL.
Zumindest zwei Senatoren dürften wohl nichts dagegen einzuwenden haben, wenn die Friedensgemeinde ins LASL einzieht und daraus - wie versprochen - ein Hort-Haus mit vier oder fünf
Kindergruppen macht: Der Finanzsenator nicht, der sich beim Verkauf des bislang öffentlichen Gebäudes an die Kirche mit einer Millionen-Einnahme ausrechnen kann, und der Sozialsenator nicht, der mit einem Schlag die größten Kita -Sorgen im Viertel loswäre. Ein dritter Senator scheint sich die Geschichte inzwischen jedoch anders überlegt zu haben: LASL-Hausherr Franke. Nachdem der Bildungssenator nach zähen Verhandlungen zwei seiner LASL-Räume abgetreten hat, ist ihm inzwischen eingefallen, daß er selbst dringend weitere Räume braucht und auf das LASL wohl doch nicht verzichten kann. Der Hintergrund: In Frankes Behörde wird gerade auf elektronische Datenverarbeitung umgestellt Und für Bildschirm-Arbeitsplätze sind exakte Büro-Mindestgrößen vorgeschrieben. In der nächsten Woche wird Franke erklären müssen, warum seine Computer und Akten deswegen ausgerechnet im LASL stehen müssen. Dann berät eine Senatsarbeitsgruppe das „Gesamt-Behörden-Raumkonzept“ und ihr wird möglicherweise auch auf folgendes Argument einfallen: Beamte, Akten-Ordner und Computer können umziehen, Kinder nicht.
K.S.
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