: „Schlüsselfrage“ Temperaturanstieg
SPD fordert radikales Umdenken und gesellschaftlichen Umbau zur Abschwächung der Klimakatastrophe ■ Aus Bonn Gerd Nowakowski
Eine „drastische Verteuerung“ von Autobenzin und der traditionellen Energieträger Atom, Kohle, Erdgas und Erdöl hat der SPD-Abgeordnete Michael Müller gefordert. Nur durch einen „gesellschaftlichen Umbau“ und eine „neue Kultur im Zusammenleben und Wirtschaften“ sei eine globale Klimakatastrophe noch abzuschwächen, sagte Müller, Obmann seiner Partei in der Bundestagskommission „Schutz der Erdatmosphäre“.
Notwendig sei im Energiebereich ein „radikaler Bruch mit der heutigen wachstumsorientierten Angebotsphilosophie“, erklärte Müller, der darauf verwies, daß WissenschaftlerInnen inzwischen eine Temperaturerhöhung von 3 Grad bis zum Jahre 2030 mit unabsehbaren Folgen nicht mehr ausschlössen. Einen solchen Temperaturanstieg habe es in der Menschheitsgeschichte bislang nicht gegeben. „Schlüsselfrage“ der Politik sei nicht die Erhaltung der Regenwälder, sondern wie die Industrienationen den Schadstoffausstoß reduzierten, der zu achtzig Prozent für den Temperaturanstieg verantwortlich sei.
Der weitere Anstieg der Temperatur sei nicht mehr zu verhindern, nur zu verzögern. Um den „Treibhauseffekt“ auf maximal 1,5 Grad - nach WissenschaftlerInnen-Meinung der „äußerste tolerable Wert“, bei dem das Ökosystem noch nicht völlig außer Kontrolle gerät - zu begrenzen, müsse die Energieversorgung auf eine „generell neue Basis gestellt werden“. Notwendig sei ein „ökologischer Umbau der industriellen Kernsektoren“. Die „Besitzstandswahrung“ der Energiekonzerne sei „hiermit unvereinbar“, sagte Müller, der eine neue Stromtarifgestaltung forderte. Auch sei „der Irrweg des Nuklearstroms zügig zu beenden“. Der Atomstrom könne auch bei einem nicht bezahlbaren Ersatz aller derzeitigen Kraftwerke nur ein Drittel der Kohlendioxidemissionen ersetzen. Die Logik eines vermehrten Atomstromangebots sei „unvereinbar“ mit einer effizienten Energieversorgung und blockiere Energiealternativen. Investitionen in die Energieeinsparung seien deutlich günstiger. Müller verwies auf Untersuchungen, die ein Einsparpotential bis zu 90 Prozent innerhalb der nächsten 40 Jahre für möglich halten. Gefordert sei auch eine drastische Reduzierung des Schadstoffausstoßes von Kraftfahrzeugen; Katalysatoren seien nicht ausreichend.
Zur Bekämpfung der Klimakatastrophe seien internationale Organisationen notwendig. Ausgleichsfonds zugunsten der von klimatischen Veränderungen besonders betroffenen Dritten Welt müßten von den für die Klimakatastrophe hauptverantwortlichen Industrieländern finanziert werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen