„Dabei guckt keine Mutter zu“

■ Im türkisch besetzten Teil Zyperns sitzen eine Berliner Mutter und Tochter in Haft Mutter erdrosselte türkischen Zyprioten, der ihre 20jährige Tochter vergewaltigte

Der schreckliche Vorfall, der seit zwei Tagen die Schlagzeilen der Springer-Zeitungen bestimmt, hatte sich in der vergangenen Woche auf der Halbinsel Kap Andreas im besetzten türkischen Teil Zyperns ereignet. Von der Presseagentur 'ap‘ wurde er wie folgt gemeldet: „Eine 48jährige Lehrerin aus Berlin hat gestanden, einen türkischen Zyprioten mit ihrem Gürtel erdrosselt zu haben, weil er ihre 20jährige Tochter überfallen und vergewaltigt hatte. Ein Polizeibeamter teilte mit, daß sich der Vorfall ereignete, als Mutter und Tochter etwa 500 Meter von dem Dorf Yeni Erenkoy entfernt am Strand in einem Zelt kampierten. Die Frau habe berichtet, daß der Täter die Tochter zunächst durch einen Schlag auf den Kopf bewußtlos geschlagen hat, ehe er sich an ihr verging.“

Ein Pressereferent der Deutschen Botschaft in Nikosia bestätigte gestern gegenüber der taz, daß Mutter und Tochter seit vergangenen Freitag in der Stadt Famagusta im türkisch besetzten Teil Zyperns gemeinsam in einer Zelle in Haft säßen. Eine Konsularbeamtin habe die Frauen mehrmals besucht und auf ihre Bitte hin die Angehörigen in Berlin verständigt. Inwischen würden sie auch von einer türkisch -zyprischen Rechtsanwältin betreut, die sie bei dem für heute angesetzten Haftprüfungstermin vertreten werde. Für den Fall, daß nicht auf Notwehr erkannt und die Sache damit ganz fallengelassen werde, sei das schlimmste zu Erwartende ein Anklage wegen Totschlags. Der jüngsten Ausgabe der türkisch-zypriotischen Zeitung 'Kibris Post Asi‘ zufolge erwarte die Frauen möglicherweise noch eine andere Anklage, weil in ihren persönlichen Sachen angeblich Haschisch gefunden worden sei: Der Besitz von Rauschgift wird im türkisch besetzten Zypern hart bestraft.

Zu dem Tathergang befragt, verwies der Pressereferent darauf, daß es nicht Aufgabe der deutschen Botschaft sei, diesen aufzuklären. Man habe die Frauen dazu auch nicht näher befragen wollen, weil sie natürlich seelisch in keinem guten Zustand seien. Zutreffend sei aber wohl, daß der Täter zunächst die Mutter bewußtlos geschlagen habe. Als er im Begriff gewesen sei, die Tochter zum zweiten Mal zu vergewaltigen, sei sie wieder zu sich gekommen und habe eingegriffen.

Auf die Frage, wie über den Vorfall in den örtlichen Zeitungen berichtete wurde, sagte der Presserefent: Zunächst war die Tendenz eindeutig die, daß der türkische Zypriote an seinem Tod selbst schuld sei: „Keine Mutter guckt zu, wenn ihre Tochter vergewaltigt wird.“ Nachdem nun aber die Sache mit dem Rauschgift hochgekommen sei, sei „die Stimmung ein bißchen am Kippen“ - nach dem Motto „ist man halbschuldig, wird man es schnell ganz“, sagte der Pressereferent mißbilligend.

Sofern Anklage erhoben werde, würden die Frauen auf jeden Fall vor ein türkisch-zypriotisches Gericht gestellt. Auf die Frage, wie die Möglichkeiten ihrer Auslieferung nach Deutschland im Fall einer Verurteilung seien, verwies der Pressereferent darauf, daß die BRD zum besetzten türkischen Nordteil der Insel, der sich 1983 einseitig zu einem unabhängigen Staat erklärte, aber völkerrechtlich nicht anerkannt ist keine offiziellen Beziehungen unterhalte. Mithin habe die Botschaft keinen Rechtstitel, dort aufzutreten, könne aber über den „Arrangementweg“ Kontakt zu den Frauen halten und so versuchen, ihr Los zu erleichtern.

plu