Fraunhoferstraße vor der Räumung?

■ Gespräche zwischen Fraunhofer-BesetzerInnen und Senat mündeten gestern in offenen Streit / BesetzerInnen wollen nicht raus / Morgen verfügt der Bund über die besetzte Fabrik

Zwei Tage vor der Übergabe der besetzten Fabrik in der Fraunhoferstraße an den Bund hat es gestern in den Gesprächen zwischen dem Senat und den Vermittlerinnen laut geknallt. Die BesetzerInnen weigern sich weiterhin, das vor zwei Wochen besetzte ehemalige Arbeitsschutzmuseum freiwillig zu verlassen. Empört sind die BesetzerInnen, weil der Senat dies zur „Vorbedingung“ für weitere Verhandlungen erhoben habe. Dies sei „inakzeptabel“, heißt es in einer Erklärung der Vermittlerinnen, Felicitas Selig und Undine Weyers. Die beiden Rechtsanwältinnen kritisieren, vom Senat werde zwar „Verhandlungsbereitschaft behauptet, in concreto jedoch wird die Maximalforderung als Vorbedingung für Verhandlungen überhaupt diktiert“. Die BesetzerInnen, die ein „Revolutionäres Zentrum“ aufbauen wollen, sind dennoch weiterhin „verhandlungsbereit“.

Der Senat reagierte gestern „enttäuscht“ auf die Erklärung. Senatssprecher Kolhoff (SPD) erklärte, die Haltung der BesetzerInnen zeige wenig Kompromißbereitschaft und erschwere eine friedliche Lösung des Konflikts. Für gestern abend war ein weiteres Gespräch zwischen Vermittlerinnen, Senat und AL angesetzt.

Zusätzlich belastet werden die Verhandlungen durch Gerüchte, der Senat plane eine Räumung noch am heutigen Tag, falls die Gespräche scheiterten. In einer der taz vorliegenden „Gesprächsnotiz“ (siehe Dokumentation) notierten die Vermittlerinnen, Umwelt-Staatssekretär Groth habe ein Räumungsbegehren durch AL-Umweltsenatorin Schreyer selbst „ausdrücklich nicht ausgeschlossen“. Der Sprecher der Umweltbehörde, Kundt, versicherte dagegen, der Verhandlungsspielraum werde bis zum 1.April vollständig genutzt.

Unklar blieb gestern auch, ob die Verhandlungsführer der rot-grünen Regierung die umstrittene Vorbedingung tatsächlich gestellt hatten. Einer der Verhandlungsführer, der AL-Abgeordnete Haberkorn, wollte die Darstellung der Rechtsanwältinnen gestern nicht bestätigen. „Den Begriff Vorbedingung“ will er nicht verwendet haben. Klaus Groth, Staatssekretär der AL-Umweltsenatorin Schreyer, hatte jedoch öffentlich erklärt, für ein Ausweichquartier werde sich der Senat nur einsetzen, wenn die BesetzerInnen freiwillig räumten. „Das hätte ich so nicht gesagt“, distanzierte sich gestern Haberkorn von Groths Aussage. Felicitas Selig blieb gestern bei ihrer Darstellung. In dem Gespräch, das sie am Dienstag abend mit Haberkorn und Groth geführt hatte, habe sie „extra nachgefragt“.

Wie berichtet, verweist der Senat darauf, daß er am Samstag seine Handlungsmöglichkeiten in Sachen Fraunhoferstraße verliert. Dann geht das Hausrecht in der besetzten Fabrik wieder an die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) über. Die Bundesanstalt kann über einen Strafantrag eine polizeiliche Räumung der Fabrik erzwingen; sie läßt sich in ihrem Vorgehen von Bonn beraten. Die Chance, in Berlin reinzuregieren, wird sich die Bundesregierung in Bonn kaum nehmen lassen, so die inoffizielle Einschätzung des Berliner Senats.

„Keine Räumung des Revolutionären Zentrums Leila Khaled“, forderte gestern das Hungerstreik-Infobüro, das seit einigen Tagen in den besetzten Räumen der AL arbeitet. Auch eine Reihe anderer Gruppen aus dem linken Spektrum verlangtem vom Senat, die Forderungen des Zentrums „bedingungslos“ zu akzeptieren. Die Berliner CDU dagegen warf dem SPD/AL-Senat eine „abwartende Haltung“ gegenüber den BesetzerInnen vor. Der Senat habe nur noch einen Tag Zeit, wenn er das Gebäude „besenrein“ der PTB übergeben wolle, sagte CDU -Landesgeschäftsführer Wienhold.

hmt