: Hamburger Wirbel um „freche Präsidentin“
Die GAL-Abgeordnete Adrienne Goehler bewarb sich um das Präsidentenamt der Hamburger Kunsthochschule und wurde gewählt - allerdings gegen die Stimmen der Professoren im viertelparitätisch besetzten Wahlkonzil / Jetzt gehen die Wogen der Empörung hoch ■ Aus Hamburg A. Garbrecht
Auf Feten in der Kulturszene ist sie Gesprächsthema Nummer eins, in den Hamburger Zeitungen schmückt ihr Konterfei Pro und Contra-Rubriken: Adrienne Goehler, ehemals Initiatorin der „Frechen Frauen“ und der GAL-Frauenfraktion im Hamburger Rathaus, sorgt jetzt als frisch gewählte Präsidentin der Hochschule für Bildende Künste für heftige Aufregung. Dabei hat die 33jährige Psychologin sich lediglich um eine bundesweit ausgeschriebene Stelle an der Hamburger Kunsthochschule beworben.
Alles weitere lief seinen legal-bürokratischen Gang - und Adrienne Goehler war gewählt. Doch schon nach ihrer ersten Pressekonferenz in der Hochschule am Lerchenfeld schwappte eine Empörungswelle hoch: getragen von Professoren der Hochschule, StudentInnen und Kultur-Prominenz; die CDU -Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft forderte den Kultur und Wissenschaftssenator Ingo von Münch auf, „dieser Posse schnellstens ein Ende zu bereiten“ und Adrienne Goehler nicht in ihrem Amt zu bestätigen: Sie habe „keine fachliche Qualifikation aufzuweisen“.
Als „Posse“ war in der Tat zunächst die Kandidatur Adrienne Goehlers aufgefaßt worden, zumal sie ihre Unterlagen erst ein paar Tage nach Bewerbungsschluß eingereicht hatte. Es habe sie wohl einfach der Zorn auf die ausschließlich männliche Riege der Kandidaten gepackt, mutmaßte man damals, ihre Bewerbung habe wohl rein demonstrativen Charakter. Denn unter den Bewerbern waren zwar auch andere fachfremde Persönlichkeiten wie der Literaturprofessor Hartmut Böhme oder der Vorsitzende der Hamburgischen Architektenkammer, aber auch hochschulerfahrene Kunstwissenschaftler wie Bazon Brock. Eine kleine Sensation war es daher doch, als am 14.März das Wahlkonzil der Hochschule, viertelparitätisch besetzt - ProfessorInnen, Angehörige des Mittelbaus, der Verwaltung und StudentInnen - Adrienne Goehler in der vierten Runde sogar eine Stimme mehr gab als erforderlich. Allerdings: Die Professoren hatten ihre Stimmen Hartmut Böhme gegeben. „Mutig“ fand selbst Adrienne Goehler die Wahl -Entscheidung, und mutig verkündete sie dann auch vor der Presse, ein Konzept für ihr neues Aufgabenfeld könne sie noch nicht vorweisen, wohl aber eine „Haltung“: Das „produktive Chaos“, das hier herrsche, fände sie „erhaltenswert“. Ihr „pluraler Begriff der Ästhetik“ umfasse „politisches Eingreifen“ ebenso wie das „elitäre Werk“.
Ob denn in einer Hochschule, in der seit Jahren die heftigsten inneren Auseinandersetzungen toben, eine Präsidentin mit Sinn für Ästhetik oder mit Sinn für Management und Kulturpolitik vonnöten sei - darüber wird nun öffentlich gestritten. Einer der heftigsten Opponenten gegen die neue Chefin ist der Professor für Freie Kunst, Franz Erhard Walter, der Goehler die Kompetenz in „elementaren künstlerischen Fragen“ abspricht. Auf seine Initiative geht der Brief an von Münch zurück, der u.a. von Schauspielhaus -Intendant Peter Zadek, Thalia-Theater-Chef Jürgen Flimm, Regisseur Wilfried Minks unterschrieben wurde. StudentInnen seines Fachbereichs hatten schon unmittelbar nach der Wahl Protestbriefe an die Presse geschickt. Der „feministische Schwung“, den Walters Kollege und Goehler-Opponent Professor Udo Pillokat der ehemaligen GAL-Abgeordneten bescheinigt, ist dann auch der Knackpunkt in den Diskussionen unter den StudentInnen der Hochschule: Adrienne Goehler wäre, sollte sie in vier bis acht Wochen vom Senat ernannt werden, die erste Frau an der Spitze der 222 Jahre alten Hochschule.
Hochschulrechtlich jedenfalls ist ihre Wahl nicht mehr anzufechten. Geprüft auf juristischer Ebene wird jetzt lediglich ganz obligatorisch, ob die gewählte Präsidentin die im Gesetz formulierten Voraussetzungen für das Amt erfüllt.
Noch weilt die gekürte Kunsthochschul-Chefin im Osterurlaub. Doch bereits vorher hatte sie vorsorglich verkündet: „Ich bin gewappnet“. Die Deputation der Wissenschaftsbehörde könnte allerdings mit ihrem Votum die Ernennung Adrienne Goehlers noch verhindern; dieses mit VertreterInnen aller Rathausparteien besetzte Gremium ist Bestandteil der Behördenleitung. Nur in Ausnahmefällen hat sich der Hamburger Senat bisher über Entscheidungen der Deputation hinweggesetzt. Geprüft wird zur Zeit außerdem, ob die gewählte Präsidentin formal die Voraussetzungen für das Amt erfüllt, beispielsweise eine mehrjährige berufliche Tätigkeit nachweisen kann. Vier bis acht Wochen könne sich die Entscheidung schon hinziehen, war aus der Wissenschaftsbehörde zu erfahren.
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