: 40 Jahre Galinski
■ Heinz Galinski feiert heute 40jähriges Jubiläum als Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin
Heute vor 40 Jahren ist Heinz Galinski zum Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde zu Berlin gewählt worden. Er besaß die Kraft, ins Land der Täter zurückzukehren und die Jüdische Gemeinde zu Berlin neu aufzubauen: Heinz Galinski, 76 Jahre alt und seit seinem 75. Geburtstag Ehrenbürger der Stadt Berlin. Heute vor 40 Jahren hat er mit der Neugründung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin begonnen, die vor dem Faschismus mit 173.000 Mitgliedern die fünftgrößte Gemeinde der Welt war. 6.300 Mitglieder umfaßt sie heute.
Immer wieder hat Galinski all diejenigen kritisiert, die mehr oder weniger deutlich versuchten, einen Schlußstrich unter die Vergangenheit zu ziehen. Und immer wieder hat er die Verantwortlichen zum aktiven Schutz der Demokratie gegen den Rechtsradikalismus aufgefordert. „Ich bin manchmal fassungslos über das Nichtfunktionieren demokratischer Institutionen“, sagt er. In Berlin gebe es Übergriffe gegen Ausländer, in den Schulen müßten Schüler geschützt werden. Die Sicherheitsbehörden aber „sehen zum Teil tatenlos zu und unternehmen wenig“. Was dieser Mann dabei fühlt, können wohl nur die Opfer von damals nachvollziehen.
Ihm ist es wohl auch zu verdanken, daß das Land Berlin eine Stiftung für NS-Opfer mit Geld ausstattete. Im Bund ließ sich nur eine Ausweitung des Härtefonds durchsetzen. Die Grünen hatten Galinski als Redner für die Gedenkstunde des Bundestags an die Opfer der Pogromnacht vorgeschlagen. Der Ältestenrat lehnte das ab. Galinski folgte der Rede von Bundestagspräsident Jenninger auf den Besucherrängen. Eine der größten Enttäuschungen seines Lebens sei die Affäre um Werner Nachmann gewesen, dem früheren Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, der Wiedergutmachungsgelder unterschlagen haben soll. Er hat Angst für dieser „Hypothek“, weil dadurch antisemitische Vorurteile neue Nahrung erhalten könnten. Mit 80, in vier Jahren also, will sich Heinz Galinski von seiner Position in der Jüdischen Gemeinde zurückziehen.
Ursel Sieber
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen