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Hoffnung auf Zensur: Überstehen ist alles - Soloprogramm des Kabarettisten Harald Schmidt

Überstehen ist alles - Soloprogramm des Kabarettisten Harald Schmidt, Sonntag, 2. April, 22.05 Uhr, West 3 Britischer Humor darf alles. Er kann einen als Schwarzen verkleideten, tolpatschigen Stotterer auf eine alte Frau loslassen, deren Schoßhündchen eins nach dem anderen hops gehen. Daraus entsteht Komik, denn eigentlich hat es der tierliebe Sprachbehinderte auf die Oma und nicht auf die hilflosen Geschöpfe abgesehen - geschehen ist dies alles in einer Sequenz des Films „Ein Fisch namens Wanda“. Deutscher Humor darf so etwas nicht. Wenn der Kabaretist Harald Schmidt erklären soll, warum die Grenzen zu dem, was gleich als Geschmacklosigkeit mokiert wird, auf deutschen Kleinkunstbühnen so eng gefaßt sind, nimmt er gern die britische Filmkomödie als Beispiel: „Bei uns hätten sie schon längst den Verband der Stotterer, die Grauen Panther, den Tierschutz und das Antirassismus-Komitee am Hals.“

Auf die schiefe Bahn des alles umfassenden Humors, heraus aus dem Ghetto der festgelegten Komik begibt sich Harald Schmidt mit seinem Solo-Programm „Überstehen ist alles“: „Normalität wird nicht dadurch hergestellt, wenn ich keine Witze über die Türken mache.“ Daß sich ein unverkrampfter Umgang mit dem bisher Ausgeklammerten nicht von selbst einstellt, nur weil plötzlich jeder aufs Korn genommen wird, mußte Harald Schmidt gerade mit seinem Sketch über die „türkischen Mitbürger“ erfahren. Die Wahlen in Berlin, die daran anschließende Kampagne gegen Ausländer vor den Frankfurter Kommunalwahlen, die drastischen Gewinne der NPD haben der Schmidtschen Komik unverhofft Brisanz gegeben, aber auch gezeigt, daß ein Witz über Ausländer schnell ins Ausländerfeindliche umkippen kann.

Harald Schmidt ist für Nordrhein-Westfalen im Augenblick das, was Georg Ringswandl in Bayern repräsentiert: eine Generation junger Kabarettisten, die das intellektuelle Publikum verunsichern, weil nicht mehr die erwarteten Polit -Pointen zünden, sondern der manchmal zynische Blick viel von den kleinen Perversitäten des Alltags beflissener Bildungsbürger preisgibt. Und Harald Schmidt läßt wirklich nichts aus; er, der in West 3 mit „MAZ ab“ selbst eine Sendung moderiert, nutzt vor allem das Fernsehen als Hauptlieferanten und Zielscheibe für beißenden Spott: „Solange uns das Fernsehen noch blöder macht, ist die unterste Stufe nicht erreicht“, kündigt er eine Persiflage an, die Kultursendungen wie „Aspekte“ und „Bücherjournal“ der puren Phrasendrescherei überführt. Natürlich weiß auch Harald Schmidt, daß er ohne die Präsenz auf dem Bildschirm heute wahrscheinlich nicht im Ensemble von Lore Lorentz‘ Kom(m)ödchen mitspielen würde. So hofft der 32jährige auf seine große Chance, wenigsten einmal zensiert zu werden, um mit dem Skandal den richtigen Popularitätsschub zu bekommen: „Jeder Kabarettist leidet doch, wenn er nicht einmal ausgeschaltet wird vom Bayrischen Rundfunk.“ Dabei blickt der schlaksige Mann so treuherzig durch seine Brillengläser, daß man ihn für eine Sekunde lang ernstzunehmen bereit und damit schon wieder reingefallen ist.

Christof Boy

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