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Finale für ein Fossil

Österreichs letzte Kaiserin Zita wurde pompös zu Grabe getragen  ■  Aus Wien Martina Kirfel

Zweihundert Jahre nach Beginn der Französischen Revolution wird beim feierlichen Pontifikalrequiem für Zita Habsburg deren ältester Sohn Otto vom päpstlichen Nuntius in Wien (Michele Cecchini) mit „Ihre kaiserlich-königliche Majestät“ angeredet. Und das, obwohl das Tragen von Adelstiteln seit 1919 verboten ist. Zudem hat Otto 1961 auf die Thronfolge verzichtet. Kaum sind die Klänge von Mozarts „Lacrimosa“ verklungen, verkündet Kardinal Groer mit donnernder Stimme: „Gern hat sie mit 'Zita von Österreich‘ unterschrieben“. Einen halben Kilometer lang ist der von den Habsburgern organisierte Trauerzug, der die ganze Donaumonarchie noch einmal aufmarschieren läßt. Das mit mehreren Millionen Schilling von der Familie finanzierte „Privatbegräbnis“ hat sich zu einem pompösen Staatsakt, zu einer Demonstration des Hauses Habsburg und des katholisch-monarchistischen Österreich ausgewachsen.

Nicht so ganz mitgespielt haben die „Untertanen“. Statt erwarteter Hunderttausender sind kaum mehr als 40.000 gekommen. Angeblich wegen des schlechten Wetters. Getreue gibt es dennoch genug: „Wann wird je wieder eine Kaiserin begraben? Nie wieder“, sagt eine alte Dame. Mitglieder vieler europäischer Königs- und Fürstenhäuser, hoher Clerus aus den ehemaligen „Kronländern“, österreichische Prominenz, darunter Bundespräsident Waldheim und FPÖ-Chef Haider sind unter den Anwesenden. Die Messe wird in den Sprachen der „Kronländer“ gehalten. 181 Busse sind aus Ungarn gekommen. Viele mit der Aufschrift: „Unsere Königin ist tot“. Die Sozialistische Partei Österreichs (SPÖ) hatte nur Bürgermeister Zilk entsandt. Tage zuvor protestierte sie gegen die Vorbereitungen für den „heimlichen Staatsakt“ und erinnerte an die „republikanische Selbstachtung“. Bundeskanzler Vranitzky (SPÖ) war vorsorglich verreist.

Jetzt erklingt über Lautsprecher auf dem Stefansplatz die Kaiserhymne. „Gott erhalte unsern Kaiser“. Einige Alte singen mit zitternder Stimme mit. Die Totenglocken des Stefansdoms beginnen zu läuten. Dann wird der Sarg auf den schwarzen kuk-Hofleichenwagen gehoben, mit dem schon Kaiser Franz Joseph 1916 in die Kapuzinergruft gebracht worden war. Von 1916 bis zum Zusammenbruch der Donaumonarchie 1918 hatten Zita und Karl regiert. Die schwarzen Rappen ziehen an. Hunderte Fotokameras klicken. Das Defilee beginnt. „Da kommt der Otto“, flüstert ehrfurchtsvoll eine kleine alte Dame neben mir. Otto Habsburg (CSU), Mitglied des Europa -Parlaments und Chef der Pan-Europa-Bewegung, hatte noch in den dreißiger Jahren mit dem Austrofaschisten Schuschnigg über eine Rückkehr der Habsburger verhandelt. Nach der trauernden Familie kommen die kaisertreuen Tiroler und Oberösterreicher, ein Bürgerkorps nach dem andern, Schlesier, Sudetendeutsche, Slowenen, Kroaten, Magyarenfürsten, Friauler, Triestiner, Südtiroler, fahnenschwingend, in bunten Trachten. In düsterer Ordenskleidung folgen die Malteser, der Deutsche Orden, der Orden vom Heiligen Lazarus. Trauermusik, Trauerschritt, Trauerglocken. „Da geht ein Stück österreichische Geschichte“, seufzt ein junger Mann.

Das republikanische Österreich verhielt sich ruhig. „Die Kaiserin ist tot. Es lebe die Republik“, stand auf einem winzigen Transparent der österreichischen Hochschülerschaft. Fünf Personen wurden wegen Ruhestörung festgenommen. Am Abend traf sich der Republikanische Club zum „Kaiserschmarrn“.

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